Rund 80 Gäste waren der Einladung des Unternehmerverbandes gefolgt, die Konzepte der beiden Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters genauer unter die Lupe zu nehmen. Werner Oesterwind (CDU) und Ulrich Scholten (SPD) stellten sich den Vertretern der hiesigen Wirtschaft im Theater an der Ruhr, wo sie vom Vorsitzenden des Unternehmerverbandes, Hanns-Peter Windfeder, begrüßt wurden.
Nach Ansicht der Betriebe kommt der Oberbürgermeister-Wahl am 13. September eine entscheidende Bedeutung für die Zukunft des Standorts Mülheim zu. Der Wirtschaftsstandort stehe im Ruhrgebietsvergleich aufgrund seiner mittelständisch geprägten Struktur und seines starken industriellen Profils zwar immer noch recht gut da, doch die Betriebe sehen auch große Herausforderungen für die Stadt. „Wir wollen deswegen heute konkret wissen, was die OB-Kandidaten vorhaben. Vor allem interessiert uns, worin sich die beiden Bewerber unterscheiden“, unterstrich der Vorsitzende des Verbandes, Hanns-Peter Windfeder.
Priorität hat auch aus Unternehmersicht das Thema Finanzen. Bei der Gewerbesteuer ist nach Ansicht der Betriebe die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Die Diskussion machte sehr schnell deutlich, dass Steuersenkungen für Scholten und Oesterwind nicht auf der Tagesordnung stehen. Beide sehen jedoch die Haushaltskonsolidierung als vordringliche Aufgabe. Während Oesterwind mit Blick auf Einsparpotentiale zwar die Leistung der Verwaltung anerkennt, aber noch „Verbesserungsmöglichkeiten in den Prozessen“ sieht, meint Scholten, dass die Stadtverwaltung gut und effizient aufgestellt sei.
Beide Politiker wollen den mit 35 Millionen Euro im Jahr „größten Verlustbringer“ der Stadt, den öffentlichen Personennahverkehr, anpacken. „Es muss irgendwann einer aufstehen und sagen: wir setzen uns an einen Tisch“, fordert Scholten mehr Kooperation der Verkehrsgesellschaften im Ruhrgebiet. Scholten strebt langfristig eine Verkehrsgesellschaft „zwischen Duisburg und Dortmund“ an. Unterstützung bekommt er dabei von seinem Gegenkandidaten: „Wir brauchen mehr interkommunale Zusammenarbeit. Da muss man auch bereit sein, auf Aufsichtsrats- und Geschäftsführerposten zu verzichten.“
Beide Kandidaten wollen neue Unternehmen an den Standort locken und eingesessene Unternehmen erhalten. Doch beide wissen auch, dass der Wirtschaft aktuell zu wenige Flächen für ihre Entwicklung zur Verfügung stehen. Von nur 5,5 Hektar ist die Rede. Während Oesterwind Potentiale für neue Gewerbeflächen vor allem am Flughafen sieht, will Scholten Flächen ertüchtigen, die zu großen Industrie-Unternehmen der Stadt gehören, aber von denen nicht mehr benötigt werden.
Klare Bekenntnisse konnte der Moderator der Diskussion, Ralf Esser, den beiden Kandidaten zu zwei Projekten entlocken, die die Wirtschaft maßgeblich auf den Weg gebracht hat. Für beide ist das Bündnis für Familie in Mülheim auch in Zukunft Chefsache. „Ich sehe hierin die Chance, Mülheim als Fachkräftestandort attraktiver zu machen“, so Scholten. Auch den Leitbild-Prozess der Stadt wollen beide Kandidaten fortsetzen. „Der Oberbürgermeister und die Mitarbeiter der Verwaltung müssen das Leitbild verinnerlichen und vorleben“, so Oesterwind.
Unabhängig davon, wer am 13. September die Nase vorn hat, die Mülheimer Wirtschaft setzt darauf, dass die bisher gute Zusammenarbeit mit der Stadtspitze auch in Zukunft ihre Fortsetzung findet. „Wir haben hier eine gute und konstruktive Form der Zusammenarbeit gefunden. Das ist nicht selbstverständlich und sollte im Sinne des Standorts und seiner Arbeitsplätze auch in Zukunft so bleiben,“ sagte Hanns-Peter Windfeder dazu. Oesterwind und Scholten sicherten das dem Unternehmerverband und seinen Gästen ausdrücklich zu. Beide Kandidaten kommen jedenfalls auch selbst aus der Wirtschaft und haben einen ähnlich pragmatischen Blick auf die wichtigsten Themen der Stadt. Inhaltlich sind beide vielleicht auch deswegen nicht so weit auseinander.