„Corona-Jahrgang“ bei der Ausbildung?

Die Zahl klingt düster: In NRW sank nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplätze um 8 Prozent auf 106.828 (Stichtag 30.9.2020). Muss man deshalb einen „Corona-Jahrgang“ bei der Ausbildung befürchten?

„Rein rechnerisch haben sich die Chancen der Bewerber in NRW auf einen Ausbildungsplatz im Jahr 2020 sogar verbessert“, sagt Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes. Dies resultiert daraus, dass der Stellenrückgang (-8%) weniger stark ausfällt als der der Bewerber (-10 %). Somit beträgt die Relation zwischen Stellen und Bewerber 2020 in NRW 0,96. Zum Vergleich: 2019 lag sie noch bei 0,93, vor zehn Jahren bei 0,73. Die Lage ist also nicht dramatisch. Wer ausbildungsgeeignet und ausbildungswillig ist, dem stehen Türen offen“, sagt Schmitz.

Trotz der schweren Rezession sei der Stellenwert von Ausbildung in den Betrieben Nordrhein-Westfalens unverändert hoch. Schmitz: „Angesichts der enormen Herausforderungen durch Corona ist der Rückgang sogar verhältnismäßig moderat. Noch immer liegt die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze um 18 Prozent über dem Niveau von 2010.“

Vor allem in der Industrie – hier vertritt der Unternehmerverband etwa im Bereich Metall- und Elektro viele Firmen – wird die Stellenbesetzung sehr langfristig geplant: Direkt nach den Sommerferien erscheinen die Anzeigen, dann folgen Tests und Gespräche. Schmitz: „Für Industrie-Unternehmen steht die Nachwuchs-Mannschaft in der Regel schon im Frühjahr fest, sodass Corona auf den Jahrgang 2020 hier nicht sehr viel Einfluss hatte.“ Ob und wie Corona auf den Ausbildungsjahrgang 2021 durchschlägt, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös einschätzen. Allerdings haben insbesondere produzierende Betriebe mit Kurzarbeit oder Unterauslastung zu kämpfen, sagt Elisabeth Schulte, die beim Unternehmerverband u. a. für den Bereich Schule / Wirtschaft verantwortlich ist: „Unabhängig von der Pandemie müssen z. B. in der Metallindustrie viele Unternehmen aufgrund der umweltpolitischen Vorgaben umstrukturieren – Stichworte sind Umwälzungen in der Automobilbranche wie auch bei energieabhängigen Unternehmen z. B. im Kraftwerkssektor und die exorbitanten Energiekosten in Deutschland.“

Die Pandemie wird wohl auch dafür sorgen, dass viele Aktivitäten rund um die Berufsorientierung ausfallen: Berufsfelderkundungen, Praktika, Messen oder Unterricht zum eigentlichen Bewerbungsschreiben. Um zu verhindern, dass die Bewerberzahlen auch aus diesem Grund noch weiter sinken, initiierte der Unternehmerverband ein Projekt, das – effizient, Corona-fest und dennoch betriebsnah – der Berufsorientierung an Schulen bzw. der Vermittlung in Ausbildung dient. Gemeinsam mit Arbeitsagentur, Handwerk und Handel startet in Oberhausen und Mülheim „Meine berufliche Zukunft“. Dabei werden Ausbildungsberufe vor Ort in einem kurzen Video vorgestellt, verbunden ist es mit einem Interview der Schüler bzw. Bewerber mit einem Auszubildenden vor Ort, entweder per Videokonferenz oder persönlich. „So können Lehrer trotz Corona und je nach Gegebenheiten Berufsorientierung in eine Unterrichtsstunde integrieren“, sagt Elisabeth Schulte, an die sich interessierte Unternehmen für dieses Projekt wenden können.

„Die Unternehmen werden auch in den kommenden Monaten mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen haben“, resümiert Schmitz. Und die Berufsorientierung werde auch 2021 auf Sparflamme laufen. „Aber Auszubildende sind die Zukunft der Unternehmen – und das wissen diese auch. Die Unternehmen werden deshalb alles versuchen, auch 2021 bestmöglich auszubilden.“ Und selbst für 2020 haben derzeit noch unversorgte Bewerber Chancen auf den Berufseinstieg: Viele Firmen sind zu einem Ausbildungsstart bis Jahresende bereit. Damit noch möglichst viele Bewerber einen passenden Ausbildungsbetrieb finden, empfiehlt sich der Kontakt zu den örtlichen Arbeitsagenturen und Industrie- und Handels- bzw. Handwerkskammern. Ausbildungsplätze in der Metall- und Elektroindustrie findet man regional hier: www.me-vermitteln.de/berufe/ausbildungsplaetze

 

Interviews „Ausbildung in Corona-Zeiten“

Um einen Einblick in die Ausbildung hiesiger Betriebe in Zeiten von Corona zu bekommen, führte der Unternehmerverband einige Interviews mit Personal- und Ausbildungsleitern quer durch Branchen und Orte in seinem Verbandsgebiet. Diese Umfrage legt keineswegs ein repräsentatives Ergebnis vor, vermittelt aber viele Eindrücke aus dem derzeitigen Betriebsalltag. Lesen Sie hier einen Auszug aus den Interviews; die vollständigen Interviews finden sich auf www.unternehmerverband.org/ausbildung

  • „Corona-bedingt mussten wir unser Testverfahren auf den Kopf stellen: Ein auf die unterschiedlichen Berufsgruppen angepasster Onlinetest war hier das Mittel der Wahl, um eine große Anzahl von Bewerbern zu testen, ohne dass Präsenztermine nötig wurden. Die darauffolgenden Vorstellungsgespräche wurden dann unter Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften persönlich durchgeführt. Insgesamt war der Aufwand für das Einstellungsverfahren in diesem Jahr jedoch höher.“
    Sönke Friedrich, Leiter Ausbildung REMONDIS (Ruhrgebiet/Rheinland)
  • „Zum Ausbildungsstart in diesem Jahr haben wir unser Angebot mit 15 neuen Stellen konstant gehalten und auch komplett besetzt. Wir erachten es trotz Corona als absolut notwendig, alle Ausbildungsplätze zu besetzen und so die künftigen Fachkräfte für 2023 und später zu finden!“
    Sandra Schlicht, Ausbildungsleiterin Sparkasse (Mülheim an der Ruhr)
  • Da Ausbildung für uns einen hohen Stellenwert einnimmt, werden wir auch zukünftig dieser Tradition folgen und einen Teil des zu erwartenden Fachkräfteausfalls mit den eigenen Auszubildenden auffangen. Schon heute bildet der Anteil der ehemaligen Auszubildenden an der Gesamtbelegschaft knapp 40 Prozent.“
    Britta Breuer, Leiterin Ausbildung, PVS holding GmbH (Mülheim an der Ruhr)
  • Wir bringen gerade viele neue Technologien zur Marktreife, etwa Wärmepumpen, Energiespeicher, Feststoff-Brennstoff-Zellen oder Power-to-fuel. Auch hier werden unsere Azubis eingesetzt, die sich ja häufig für Nachhaltigkeit, Innovation und Klimaschutz interessieren.“
    Thorsten Hasse, Dept.:Human Resources, Mitsubishi Power Europe (Duisburg)
  • „Das Besondere trotz des eher kleinen Betriebs ist, dass wir eine eigene Lehrwerkstatt haben. Die Azubis sind also nicht in der Werkshalle verstreut, sondern arbeiten mit großem Gemeinschaftsgefühl zusammen. Sie sind für eigene Projekte verantwortlich, etwa kürzlich für eine Werkzeugmaschine, die sie auseinander gebaut, gereinigt, angestrichen und neu montiert haben.“
    Stephan Skipka, Personalleiter, Steinhoff GmbH & Cie. OHG (Dinslaken)
  • „Auszubildende sind hier sowie bei Innovationsprojekten von Beginn an aktiv beteiligt. Bewerbungsgespräche, Schnuppertage sowie Trainings im Rahmen des Ausbildungsprogramms werden digital durchgeführt.“
    Julia Steiner, Leitung Strategie/Innovationsmanagement, und Maren Embert, Content Manager, Evers GmbH (Oberhausen)
Weil Bewerbermessen und Betriebsbesuche ausfallen mussten, ging das Dinslakener Unternehmen Steinhoff beispielhaft neue Wege: Ein Graffiti macht jetzt auf der eher unscheinbaren Fassade darauf aufmerksam, dass dort ausgebildet wird. (Foto: Steinhoff)

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