Fachkräftebedarf: Der Dialog nimmt Fahrt auf

Die Sozialpartner wollen an einem Strang ziehen, wenn es um Lösungen in der Fachkräfte-Frage geht

„Wir alle wollen, dass die Bude brummt“, fasste der Vorsitzende der DGB-Region Niederrhein, Rainer Bischoff, am Ende der Diskussion das gemeinsame Anliegen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auch mit Blick auf die Fachkräfte-Frage zusammen. Beide Seiten hätten ein großes Interesse daran, dass die Betriebe in der Region die notwendigen Fachkräfte finden und damit auch den Standort sichern. „Niemand will, dass wegen Fachkräftemangels Produktionsstandorte verlagert werden“, so Bischoff. Hierin stimmte ihm der Vorsitzende des Vorstands der Unternehmerverbandsgruppe, Michael J. Walter, selbst Unternehmer, ausdrücklich zu. „Die Unternehmen wollen hier bleiben und wir wollen an diesem Standort weiter wachsen“, so Walter.

Gerade weil man sich im Ziel einig weiß, will man dem Problem „Fachkräfte“ gemeinsam begegnen. „Es ist gut, dass DGB und Unternehmerverband die Veranstaltung gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Das ist Sozialpartnerschaft wie wir sie verstehen. Dies zeigt aber auch, wie bedeutend die Herausforderung Fachkräfte für uns alle ist“, so Walter. 

„Die Frage ist heute nicht mehr, ob es einen Fachkräftebedarf gibt. Es gibt ihn, auch wenn die Situation regional und sektoral sehr unterschiedlich ist“, so Roland Matzdorf, Abteilungsleiter im NRW-Arbeitsministerium, der kurzfristig für den erkrankten Minister Guntram Schneider an der Veranstaltung teilnahm. Matzdorf nutzte seinen Vortrag, um die Fachkräfteinitiative des Landes vorzustellen: „50 Millionen Euro stehen bis 2015 zur Verfügung, um den Fachkräftebedarf in den Regionen sehr konkret zu ermitteln.“ Das Land will so passgenaue Lösungen erarbeiten. „Hier ist es wichtig, dass vor allem die Unternehmen mitmachen. Sagen Sie uns, wo es konkret mangelt, welche Qualifikationen Sie benötigen“, so Matzdorf.

Christiane Schönefeld, Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit machte in ihrer Rede auf die Ursachen des steigenden Fachkräftebedarfs aufmerksam. Das „Dreieck“ von demografischer Entwicklung (Arbeitskräfteangebot sinkt altersbedingt), technologischem Wandel (technische Entwicklung fordert höhere Qualifizierung) und Globalisierung (durch internationalen Wettbewerb wachsen Anforderungen an den Einzelnen) führe zu dieser Entwicklung. „Das diskutieren wir allerdings auch schon seit 20 Jahren; neu ist, dass die Unternehmen es jetzt merken.“ Das eröffne neue Chancen, die Herausforderung „Fachkräftebedarf“ anzupacken.

Heinz Lison, Sprecher der regionalen Wirtschaft, brachte in der anschließenden Podiumsdiskussion die veränderte Unternehmerwirklichkeit bei Fachkräften auf den Punkt: „Wir werden uns in Zukunft um gute Azubis bewerben müssen.“ Lison machte auf erhebliche Bildungsdefizite vieler Bewerber aufmerksam. Zwar müsse sich auch in den Schulen vieles verbessern, doch entscheidend seien die Elternhäuser: „Die Eltern sind gefordert, sich um die Bildung ihrer Kinder zu kümmern. Und selbstverständlich sind die Kindergärten und Grundschulen gefragt: Wir brauchen dort mehr Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik“, so Lison.

Thomas Schlenz, Konzernbetriebsratsvorsitzender der ThyssenKrupp AG, verwies in der Diskussion auf konkrete betriebliche Erfahrungen. „Fachkräftemangel ist natürlich auch eine Folge davon, dass man in der Vergangenheit zu wenig ausgebildet hat.“ Heute dürfe man nicht mehr nur auf Schulnoten schauen, sondern müsse die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers erfassen. „Beim 16- oder 17-Jährigen, der Mechatroniker werden will, gibt es einen Pluspunkt, wenn der sein Fahrrad auch mal selber repariert.“ Pädagogik, so Schlenz, sei heute zudem ein wichtiger Pfeiler der Ausbildung bei ThyssenKrupp. Hier müsse zum Teil das nachgeholt werden, was in Elternhäusern und Schulen versäumt werde.

Christiane Schönefeld forderte in der Runde die Arbeitgeber auf, ihre Anforderungsprofile einer Überprüfung zu unterziehen, um die Kompetenzen der heutigen Bewerber besser zu erfassen. Roland Matzdorf unterstützte sie dabei: „Wir brauchen sicherlich seitens der Bewerber Qualifizierung, Mobilität und Flexibilität, doch es ist auch ein gegenseitiger Prozess. Flexibilität wird auch von den Unternehmern verlangt, die sich auf das Arbeitsmarktangebot einstellen müssen.“ Es gebe viele Arbeitslose, die hochmotivierte Arbeitnehmer werden könnten. DGB-Vertreter Bischoff nannte die Arbeitslosen als „erstes Potenzial“ bei der Suche nach Fachkräften. „Ich möchte, dass keiner aufgegeben wird.“

Die Unternehmer-Vertreter Walter und Lison wiesen die Forderung zurück, dass die Betriebe ihre Anforderungen an Bewerber der Lage auf dem Arbeitsmarkt anpassen. „Es ist undenkbar, dass ich weniger Ansprüche an Fachkräfte stelle. In meiner Firma werden für den Schienenverkehr sicherheitsrelevante Bauteile hergestellt. Ich kann mir keine Abstriche an der Qualität – auch beim Personal – erlauben.“ Walter verwies darauf, dass Unternehmen, wenn sie keine Fachkräfte bekämen, auch im Ausland schauen müssten. „Die Verlagerung der Produktion will keiner, aber es wäre ein letztes Mittel, wenn wir keine Fachkräfte bekommen.“

Das Thema Fachkräftebedarf erwies sich in der Veranstaltung als überaus facettenreich. Moderator Markus Augustiniak, Chefredakteur von Radio Duisburg: „Ich bin gespannt, wie sich die Debatte in der Region entwickelt, wenn am Ende des Jahres konkrete Bedarfe vorliegen und man sieht, wo zu handeln ist. Ich glaube, dass alle Beteiligten heute ihren Willen gezeigt haben, konstruktiv an Lösungen zu arbeiten.“ Abschließend fügte Augustiniak hinzu: „Besser ist es doch, dass wir einen Fachkräftebedarf haben, als wenn wir keine Fachkräfte mehr benötigen würden.“

Diskutanten (v.l.nr.): Heinz Lison, Thomas Schlenz, Roland Matzdorf, Moderator Markus Augustiniak, Christiane Schönefeld, Michael J. Walter und Rainer Bischoff (Foto: Unternehmerverband)

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