Manager-Ikone Schulz über den Industriestandort Deutschland

 

Unternehmertag mit über 350 Gästen im HAUS DER UNTERNEHMER

Über 350 geladene Gäste strömten gestern in das Duisburger HAUS DER UNTERNEHMER: Der Unternehmerverband hatte zu den Mitgliederversammlungen der sechs Einzelverbände sowie zum Sommer-Unternehmertag eingeladen. Nachdem der diesjährige Unternehmerpreis „Der Traum vom Fliegen“ an Hafen-Chef Erich Staake vergeben worden war, stand der Gastvortrag von Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz auf dem Programm. Schulz, langjähriger Vorstandsvorsitzender und nun Aufsichtsrat-Mitglied der ThyssenKrupp AG, sprach zum Thema „Herausforderungen für den Industriestandort Deutschland“. Nach einer hochkarätig besetzten Publikumsdiskussion startete ein buntes Rahmenprogramm mit der Caribbean Jazz-Band „Bima“ und temporeichen Duellen an einer Carrera-Bahn.

Zur Einleitung des Gastvortrages von Prof. Schulz warb der Vorsitzende der Unternehmerverbandsgruppe, Michael J. Walter, Mitglied des Beirates der GHH Radsatz International Holding GmbH (Oberhausen), für eine bessere Kommunikation bei Industrieprojekten: „Wir Unternehmer, flankiert von der Politik, müssen neue Formen des Dialogs erproben, viel weiter im Vorfeld beginnen, für unsere Sache zu werben, viel offener, ehrlicher und intensiver mit den Bürgern diskutieren. Unsere Dialogpartner sind nicht mehr allein die Behörden und Verwaltungen, sondern immer stärker die Bevölkerung, die sich dank neuer Internet-Plattformen immer besser vernetzen und organisieren kann.“ Als ein Schritt in diese Richtung bezeichnete Michael J. Walter die Gesellschaftsinitiative „Zukunft durch Industrie“, deren Gründungsmitglied der Unternehmerverband Metall ist und dessen stellvertretender Vorstandsvorsitzender Walter ist. „Das ist keine Organisation, die ein Propagandainstrument der Industrie sein will und vielleicht verpatzte Öffentlichkeitsarbeit ausbügeln soll. Nein, es ist eine sehr ehrlich gemeinte Kommunikationsplattform. Es geht uns darum, die Wichtigkeit von Industrie deutlich zu machen und für mehr Akzeptanz zu werben.“

Den Gastvortrag unter der Überschrift „Herausforderungen für den Industriestandort Deutschland“ hielt Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz. Als Ikone unter den erfolgreichsten Industriemanagern Deutschlands blickt er auf eine bemerkenswerte Karriere zurück, zunächst bei Thyssen in Oberhausen und in Duisburg und dann seit dem Ende der 1990er-Jahre als Vorstandsvorsitzender der mit dem Krupp-Hoesch-Konzern fusionierten ThyssenKrupp AG. Im Januar 2011 ist er aus dieser Position in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewechselt.

Professor Schulz hält mit seinen Meinungen nicht hinter dem Berg. So kritisierte er in Duisburg das Energiewende-Konzept der Bundesregierung als eine übereilte Maßnahme. Zunächst aber erläuterte er, wie schnell und gut sich Deutschland von der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise erholte habe. Dabei legte er besonderes Gewicht auf den Beitrag der Industrie zu diesem Boom. Während andere Nationen auf Dienstleistungen und Finanzgeschäfte gesetzt haben, beneide man Deutschland nun um seine Industriekapazität. Bei uns stammen 27 Prozent der gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfung aus dem produzierenden Gewerbe, in den USA sind es inzwischen weniger als 15 Prozent.

Er lobte zudem das „gute Zusammenspiel von Politik, Unternehmerschaft und Gewerkschaften in der Krise“. Der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes etwa sei es zu verdanken, dass die Betriebe ihre kostbaren Fachkräfte halten konnten. Schulz wies dabei auf die besondere Rolle des Mittelstands hin: Nicht die großen Industrieunternehmen, sondern der Mittelstand sei der Schlüsselfaktor für den Standort Deutschland.

Als die größten Herausforderungen für die Zukunft bezeichnete Professor Schulz Lösungen gegen die Verknappung und Verteuerung der Rohstoffe, die Erhaltung und Förderung der Innovationskraft in Deutschland, Strategien gegen den immer deutlicher werdenden Fachkräftemangel sowie Sicherheit und Preisstabilität in der Energieversorgung. Er brachte dazu selbst Ideen ein, beispielsweise forderte er, sich darum zu bemühen, ausländische Ingenieursstudenten Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen und sie zumindest eine Zeitlang im Lande zu behalten. Die Rohstoffproblematik müsse eines der Kernthemen für die G8- bzw. G20-Konferenzen werden. Schulz belegte anhand einiger Beispiele, welch wichtige Rolle die Stahlindustrie beim sorgsamen Umgang mit Rohstoffen und bei der Energieeinsparung spielt.  Er kritisierte jedoch die Bürokratie in Deutschland: „Im US-Bundesstaat Alabama hatten wir in sieben Monaten die Genehmigung für ein neues Stahlwerk – in Duisburg brauchten wir drei Jahre, um die Modernisierung eines einzigen Hochofens beginnen zu dürfen.“

In der anschließenden Diskussionsrunde mit Michael J. Walter, Professor Schulz, Dr. Henning Friege (Stadtwerke Düsseldorf) und dem Kommunikationsmanager Kai vom Hoff ging es um die Akzeptanz von Industrie- und anderen Großprojekten in der Bevölkerung. Die Teilnehmer warben dabei für die im vergangenen Jahr gegründete Gesellschaftsinitiative „Zukunft durch Industrie e.V.“, die „kein Propagandainstrument und kein Heilmittel für misslungene Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen sein soll, sondern eine offene und ehrliche Kommunikationsplattform“.

Friege erinnerte daran, dass „grüne“ Technologie stets etwas mit „normaler“ Technik zu tun habe – auch ein Sonnenkollektor bestehe nun einmal aus Aluminium, Glas und anderen Rohstoffen – was aber zu wenig in der Öffentlichkeit vermittelt werde. Professor Schulz forderte, dass der Technikunterricht schon im Kindergarten beginnen müsse. Walter berichtete in diesem Zusammenhang von seinen Erlebnissen in Schulen, wo es zwar Öko-Gärten und Kuschelecken gebe, ihm auf seine Fragen nach spielerischem Umgang mit Technik aber eher  Verständnislosigkeit begegne.

Natürlich drehte sich die Diskussion bald um die sogenannten „Nimbys“ – entlehnt aus dem englischen Satz „Not in my backyard“. Gemeint sind damit Bürger, die beispielsweise Kernenergie ablehnen, aber nicht bereit sind, die Überlandleitung für aus Windenergie gewonnenen Strom in Sichtweite ihres Hauses zu akzeptieren. Friege sieht ein Versäumnis darin, dass man bisher meist verfehlte „die Herzen der Menschen zu berühren“ – etwa indem appelliert wird, der Jugend nicht die Zukunft zu verstellen. In diesem Zusammenhang erklärte vom Hoff, einst seien rauchende Schlote mit wachsendem Wohlstand identifiziert worden, heute jedoch nur noch als Restrisiko: „Wo die Deutschen einst Wohlstand erobern wollten, wollten sie ihn heute nur noch verteidigen.“

Einig waren sich alle Diskutanten, dass man – so Friege – den Menschen „keinen Schwachsinn erzählen darf“ und ihnen „von Anfang an die Wahrheit, und zwar pessimistischer als man erwartet,  sagen muss“ (Professor Schulz). Einmütig forderten sie aber auch, dass Unternehmen Kritik aushalten müssen und die Politik nicht wendehalsig sein darf, sondern zu einmal getroffenen Entscheidungen stehen muss. So auch Walter: „Wir können in der Energiefrage nicht diskutieren, Schlichtungsdialoge führen und dann mit jenen weiter verhandeln, die auch das Ergebnis von Einigungsprozessen nicht anerkennen wollen – sonst diskutieren wir am Ende bei Kerzenschein.“

Vor Festrede, Preisverleihung und Diskussion hatten sich die Mitglieder der sechs Unternehmerverbände versammelt. In zwei der Verbände standen Wahlen an: Im Unternehmerverband Industrieservice wurde zum neuen Vorsitzenden Dr. Reinhard Eisermann (Lobbe Industrieservice GmbH, Iserlohn) gewählt, neues Vorstandsmitglied ist Jean-Luc Robin (Veolia Umweltservice Industrie-Reinigung GmbH, Dormagen). Neues Vorstandsmitglied des Unternehmerverbandes Mülheimer Wirtschaft ist Holger Gerstel (Gerstel GmbH, Mülheim).

Die Unternehmerverbandsgruppe mit ihren sechs Einzelverbänden vertritt rund 700 Unternehmen bundesweit im Arbeits- und Sozialrecht sowie in der Tarifpolitik; der regionale Schwerpunkt liegt im westlichen Ruhrgebiet und am Niederrhein.

Beim Unternehmertag sprach Prof. Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz, langjähriger Vorstandsvorsitzender und nun Aufsichtsrat-Mitglied der ThyssenKrupp AG, in seinem Gastvortrag zum Thema „Herausforderungen für den Industriestandort Deutschland“. (Foto: Unternehmerverband)

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