70 Teilnehmer informierten sich in dieser Woche beim 5. Bocholter Personalforum
Herrscht ein Fachkräftemangel oder nur eine -knappheit? Ist das Münsterland attraktiv genug für den akademischen Nachwuchs? Wie halten Unternehmen ihre Mitarbeiter, die durch zu viel Arbeitsdruck krank werden? Muss einfach nur die Arbeit neu organisiert werden? Mit diesen Fragen beschäftigten sich am Mittwoch rund 70 Geschäftsführer, Unternehmer und Personalleiter im Hotel Residenz, in dem das 5. Bocholter Personalforum stattfand. Die Themenschwerpunkte waren betriebliches Gesundheitsmanagement, Arbeitgeber-Attraktivität sowie Arbeitsorganisation; Kurz-Referate hielten dazu Experten aus Instituten, Unternehmen und Wissenschaft. Ihr Plädoyer: Attraktive Arbeitgeber können nicht nur ihre motivierten Mitarbeiter halten, sondern gewinnen auch gute Neue. Das 5. Bocholter Personalforum wurde von der Agentur für Arbeit, der IHK Nord Westfalen und dem Unternehmerverband organisiert.
Fachkräftemangel gemeinsam begegnen
Mit der guten Nachricht „Wir haben keinen Fachkräftemangel, allerdings werden in einigen Branchen wie Pflege oder Ingenieurwesen die Fachkräfte regional knapp“, startete Dr. Peter Janssen, Geschäftsführer unternehmer nrw, mit dem ersten von neun Vorträgen. Um eine ausreichende Zahl an qualifizierten Mitarbeitern zu generieren, appellierte er gleichermaßen an Bund, Land, Kommunen, Bundesagentur für Arbeit, die Tarifpartner und die Unternehmen, verschiedene Stellschrauben zu drehen. Diese können sein: Ausbildungsreife verbessern, Frauen und Ältere besser integrieren, Ungelernte qualifizieren oder Zuwanderung erleichtern.
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Um die innerbetrieblichen Stellschrauben Gesundheitsmanagement, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und Prävention von Burnout ging es in insgesamt vier Vorträgen. Dr. Stephan Sandrock vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft zeigte unterschiedliche Ansätze eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements, kurz: BGM, auf: Ausgleichssport, Kantinenernährung, Raucherentwöhnung oder Gesundheitstage. „Ein Obstkorb ist ein guter Anfang, aber es gibt noch nachhaltigere Maßnahmen“, warb Sandrock für eine neue Unternehmenskultur. Rolf Bußmann von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall ging auf die richtige Haltung an Arbeitsplatz und Schreibtisch ein. Ein Evolutions-Comic verdeutlichte die Problematik: vom Affen über den Neandertaler bis zum aufrecht gehenden Jäger und Sammler war die Entwicklung in Ordnung, dann degenerierte die Menschheit aber zum gebückten Bauarbeiter bis zum Büromenschen, der mit einem Katzenbuckel vor dem PC hockt. Viele von Bußmanns Tipps für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz kosten nicht einmal viel Geld, sondern werden von Integrationsämtern gefördert oder sind steuerlich absetzbar: Keilkissen für Bürostühle, Hebevorrichtungen in der Produktion oder ein kombinierter Arbeitsplatz mit stehender und sitzender Tätigkeit.
Praxisbeispiel OKE
Wie diese Maßnahmen in der Praxis aussehen, berichtete eindrucksvoll Frank Potthoff, der als Diplom-Sportlehrer beim Automobilzulieferer OKE in Hörstel arbeitet. Nicht nur die innerbetriebliche Weiterbildung in der „Lernwerkstatt“, das gesunde Essen im „Schlemmerland“ und die Kinderbetreuung im „Zwergenland“ beeindruckte die Zuhörer, vor allem die „Fitness-Werkstatt“ lässt bei den 400 OKE-Mitarbeitern keine Wünsche offen: physio-therapeutische Sprechstunden zweimal wöchentlich, Behandlungsangebote eines Heilpraktikers, Präventionsangebote wie Hautscreening, Lungenfunktion oder Impfungen, Azubi-Sport während der Arbeitszeit, dreimal täglich Sportangebote z. B. in der Mittagspause, ein eigenes Gebäude mit Sportplätzen für Basketball, Fußball und Badminton, Freizeitangebote mehrmals pro Monat… Die Liste ließe sich auf wirklich beeindruckende Weise fortsetzen. „Und nun das Wichtigste“, verriet Potthoff erst zum Schluss: „Unsere Krankenquote liegt im kaufmännischen Bereich bei unter einem Prozent, im gewerblichen Bereich um 2,5 Prozent.“. Von diesen Quoten können andere Firmen nur träumen, wie der Arbeitswissenschaftlicher Rainer Ollmann von der Gaus GmbH einordnete. Rund zehn Prozent der Mitarbeiter in deutschen Firmen seien von Burnout oder Depression betroffen – und bringen es teils auf 30 Krankentage und mehr pro Jahr. „Von Burnout sind vor allem die Mitarbeiter betroffen, die Sie zuvor eigentlich als ‚ideal’ empfunden haben: dynamisch, einsatzbereit, verantwortungsbewusst. Diese Mitarbeiter sind es aber vor allem, die in die Falle tappen und sich zu hohe Ziele setzen, die sie nie erreichen können.“ Ollmann zeigte Warnsignale auf und empfahl, die Betroffenen nicht nur individuell zu betreuen, sondern auch die Arbeitsbedingungen, die krank gemacht haben, zu ändern.
Münsterland = Jobwunderland
Um das Münsterland und seine Attraktivität für hochqualifizierten Nachwuchs ging es beim Vortrag von Klaus Ehling, Geschäftsführer des Münsterland e. V. „Derzeit verlassen jährlich 1.000 18- bis 25-Jährige das Münsterland.“ Gründe seien mangelnde berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, keine Perspektiven für Partner/in, schlechtes Stellen- und Freizeitangebot sowie der provinzielle Charakter der Region. Was das Münsterland aber zu bieten hat, welche „Hidden Champions“ hier ansässig sind, zeigt die Internetplattform „jobwunderland.com“. Mit dem Slogan „Wir wollen Deinen Kopf“ und einer Stellenbörse mit durchschnittlich 500 Stellen wendet sich die Region direkt an Hochschulen und Absolventen, um für sich zu werben.
Cartoonist Dirk Meissner
Nach der Mittagspause gab es einen humorvollen Auftritt des Cartoonisten Dirk Meissner, der mit seinen Karikaturen aus der Unternehmenswelt vor allem aus der Süddeutschen Zeitung bekannt ist. Für Schmunzeln sorgten seine Zeichnungen mit Sprüchen wie „In diesem Unternehmen können Sie sich entscheiden, woran Sie arbeiten: Herzinfarkt oder Burnout.“ oder „Bei ihrer Qualifikation wäre es für uns am besten, Sie würden bei der Konkurrenz anfangen.“.
Employer Branding
Um das „Employer Branding“, was zu Deutsch wortreich mit „Arbeitgebermarkenbildung“ übersetzt wird, ging es im Vortrag von Prof. Dr. Michael Krämer von der Fachhochschule Münster. Er führte einige Filme auf youtube vor, mit denen Firmen wie Otto oder Bayer für sich werben. Die einen zeigten ein kurioses Bewerbungsgespräch während eines Fallschirmsprungs, die anderen ließen ihre Mitarbeiter zu Wort kommen, warum sie genau für dieses Unternehmen tätig sind. Wie man ohne großes Werbe-Budget Wege der Vermarktung findet, zeigte Krämer auf: Wettbewerbe, Mitarbeiterbefragung oder Soziales Engagement. „Zunächst ist aber wichtig, das Selbst- wie auch das Fremdbild zu definieren. Nur so findet man eine authentische Botschaft, die zum Unternehmen passt.“ Als wichtiges Instrument legte der Wissenschaftler den Zuhörern „Social Media“ ans Herz. „Im Web 2.0 finden Sie ihre Zielgruppe, die Hochschulabsolventen. Einmal gestartet, müssen Sie am Ball bleiben und ihre Aktivitäten kontinuierlich beobachten.“
Bessere Arbeitsorganisation
Der letzte Vortrag von Dr. Bodo Wiegand, Geschäftsführer des lean management Instituts warf die provokante Frage auf, ob der Fachkräftemangel nicht einfach durch eine bessere Arbeitsorganisation behoben werden könnte. „Meiner Ansicht nach suchen die Unternehmen die Cents in der Produktion, dabei liegen die Euro-Scheine auf den Büro-Fluren.“ Was Wiegand damit meint, erläuterte er exemplarisch am viel gesuchten Ingenieur. Der verbringt nur knapp 50 Prozent seiner Arbeitszeit tatsächlich mit Aufgaben, für die sein Fachwissen erforderlich ist. Der Rest ist Organisation, E-Mail-Verkehr, Telefon, Besprechungen. Sein Tipp: Verbannen Sie die Stühle aus Besprechungsräumen – sie werden sehen, wie effektiv plötzlich Meetings sind.“ Für eine bessere Arbeitsorganisation hat er die Mechanismen aus dem „lean-Management“, also der Prozessoptimierung in Produktionsabläufen, auf die Verwaltung übertragen. Wiegands Idee: Ein Assistent, eine Sekretärin oder ein technischer Zeichner wird dem Ingenieur zur Seite gestellt. Dann kann sich dieser tatsächlich auf seine Aufgaben konzentrieren, die ihm zugleich ja viel mehr Spaß machen, „ein wichtiger Faktor für die Mitarbeitermotivation“, so Wiegand.
Die Veranstalter des Personalforums planen für 2012 eine Neuauflage, „die Super-Resonanz in diesem Jahr bestärkt uns, dass wir mit aktuellen Personalthemen den Nerv treffen“, so Jürgen Paschold vom Unternehmerverband.
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