Die Situation der heimischen Industrie ist derzeit in weiten Teilen schwierig. Viele Arbeitsplätze stehen unter erheblichem Druck. Die Spitzen von Stadt, Unternehmerverband und IG Metall hatten deswegen zur Industriekonferenz eingeladen. Viele Vertreter Mülheimer Industrie-Unternehmen folgten der Einladung ins HAUS DER WIRTSCHAFT. Insgesamt begrüßten Oberbürgermeister Ulrich Scholten, der Vorsitzende des Unternehmerverbandes, Hanns-Peter Windfeder, und der erste Bevollmächtigte der IG Metall Mülheim, Volker Becker-Nühlen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter von rund einem Dutzend großer und mittelständischer Betriebe.
Oberbürgermeister Scholten unterstrich gleich zu Beginn die Bedeutung der Industrie für die Zukunft des Standorts. „Wir in Mülheim haben eine stolze Industrie-Geschichte. Das ist die Basis. Doch wir brauchen die Industrie auch für die Zukunft dieser Stadt“, so Scholten. Ein Drittel aller Arbeitnehmer in Mülheim – und damit mehr als in fast allen vergleichbaren Städten – arbeiteten im produzierenden Sektor, auch indirekt seien viele tausende Arbeitsplätze von der Industrie abhängig. „Wir haben alle Chancen, auch in Zukunft ein erfolgreicher Industriestandort zu sein, wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen“, erklärte Scholten. Er lobt die Gemeinsamkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in der Industriekonferenz. „Wir werden von hier aus nicht die Weltkonjunktur beeinflussen können, aber wir können den Industriestandort Mülheim an der Ruhr gemeinsam fit für die Zukunft machen“, so Scholten.
Anlass für die Konferenz war zwar die aktuelle Lage, doch sollte die Industriekonferenz nicht in erster Linie „Kummerkasten“ sein, wie Florian G. Schauenburg, stellvertretender Vorsitzender und Industrie-Sprecher des Unternehmerverbandes, feststellte. Es gelte, so Schauenburg, den Blick nach vorn zu richten. Ausgangspunkt für den industriellen Erfolg Mülheims sei Erfindergeist und Ingenieurskunst gewesen. Genau das sei im digitalen Zeitalter auch die Basis für die Arbeitsplätze der Zukunft. „Wir wollen in der Industriekonferenz und in der dann folgenden Arbeit alles unter die Lupe nehmen. Warum sollen wir uns nicht auch vornehmen, das Rad in Teilen neu zu erfinden?“, fragte der Unternehmer überspitzt. Damit skizzierte Schauenburg schon deutlich, worauf es aus seiner Sicht in Zukunft entscheidend ankommt. Der Unternehmer setzt auf Innovationen aus Forschung und Entwicklung. Er will die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft deutlich intensivieren.
Darauf, dass es nicht nur um die Industrie, sondern vor allem um die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt gehe, wies Volker Becker-Nühlen hin. „Industrielle Produktion ist kein Selbstzweck - sie bietet vielen tausenden Kolleginnen und Kollegen Beschäftigung und die Sicherung ihrer Existenz. Die Zukunft des Industriestandorts und die Zukunft vieler Familien in der Stadt hängen eng zusammen. Weil es um die Menschen geht, müssen wir gemeinsam mehr Rückenwind für die Industrie organisieren“, so Becker-Nühlen. Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter unterstützen deswegen mit Nachdruck die gemeinsame Initiative. Alle Partner sehen die Industriekonferenz als Ausgangspunkt einer gemeinsamen Arbeit an einer „Stärkungsinitiative für die Industrie in Mülheim an der Ruhr“.
Doch worum soll es in der Stärkungsinitiative konkret gehen?
Genau das war Gegenstand des intensiven Austausches mit den Vertretern der Industrieunternehmen. In der Diskussion zeigte sich schnell, dass es nicht die die alleinige Stellschraube gibt, die dazu geeignet wäre, den Industriestandort zu ertüchtigen. Vielmehr muss ein ganzes Bündel verschiedener Themen beleuchtet werden. Es geht dabei um die klassischen Themen Flächenentwicklung, Genehmigungsverfahren und Steuer- und Abgabenlast. Aber eben auch um Zukunftsthemen wie die Potentiale, die sich durch die Ansiedlung der Hochschule Ruhr West in Mülheim ergeben. Zudem beschäftigt die Teilnehmer der Industriekonferenz intensiv die Frage, ob das produzierende Gewerbe noch genug Akzeptanz, auch für größere Investitionen, in der Bevölkerung findet. Die Industriekonferenz beschloss dann auch eine Resolution unter der Überschrift „Ein Ruck pro Industrie muss durch Mülheim gehen“ (siehe Anlage). Gemeinsam will man das Profil der Stadt als moderner Industriestandort schärfen.
Bis zum Ende des Jahres sollen nun drei mit Experten aus Unternehmen, Wissenschaft, Verwaltung, IG Metall und Gesellschaft besetzte Arbeitskreise zu den wichtigsten Themen konkrete Ideen für eine Stärkungsinitiative Industrie vorlegen. Dabei geht es um die Oberthemen „Infrastruktur und lokale Standortbedingungen“, „Bildung, Gründung und Exzellenz“ sowie „Standortprofil und gesellschaftliche Akzeptanz der Industrie“. Die einzelnen Arbeitskreise werden von den Unternehmern Heinz Lison, Florian G. Schauenburg und Hanns-Peter Windfeder geleitet.
Mit dieser Vorgehensweise, so Dr. Vera Demary, die als Expertin des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln der Industriekonferenz einen inhaltlichen Impuls gegeben hatte, werden die entscheidenden Stellschrauben für die Zukunft des Standorts angegangen. Sie nannte die Mülheimer Industrie-Initiative vorbildlich. „Das ist genau die richtige Herangehensweise. Auch, wenn zunächst nur kleine Projekte vereinbart werden können, kann daraus Größeres entstehen – nach dem Motto ‚voneinander lernen‘. Entscheidend für den Erfolg ist, dass das Netzwerk am Standort gefestigt und entwickelt wird“, erläuterte Demary.
Hanns-Peter Windfeder zog als Moderator der Industriekonferenz abschließend eine positive Bilanz der Veranstaltung: „Wir stehen erst am Beginn der Arbeit, doch die Bereitschaft gemeinsam mit anzupacken war heute spürbar. Erste konkrete Ideen und Initiativen zeichnen sich ab. Unser Bündnis für die Zukunft der Industrie kann etwas bewegen, wenn das Engagement aller Partner so bleibt.“