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Betriebsratsanhörung

Unser Jurist beantwortet zehn Fragen zu diesem Thema

 

1. In der Praxis scheitern viele arbeitgeberseitige Kündigungen vor dem Arbeitsgericht daran, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist. Was ist der Hintergrund?

Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeswortlautes hat über die Jahrzehnte eine umfangreiche Rechtsprechung diese Norm konkretisiert.

2. Welche Kündigungen sind damit gemeint?

Kündigungen vor Antritt des Arbeitsverhältnisses, Änderungskündigungen, Wiederholungskündigungen, Kündigungen von Heimarbeitern, als auch Kündigungen innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit bzw. Probezeit.

3. Was ist denn der Zweck dieses Anhörungsverfahrens?

Der Betriebsrat soll im Rahmen seiner Beteiligungsrechte in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn gegebenenfalls mit besseren Argumenten von einer Kündigung abzuhalten. Dafür muss der Betriebsrat die Gründe kennen, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen, um so die Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Durch eine solche Stellungnahme soll der Arbeitgeber Gelegenheit bekommen, die gegebenenfalls vom Betriebsrat geäußerten Bedenken bzw. einen möglicherweise erhobenen Widerspruch noch bei seinem Kündigungsentschluss zu berücksichtigen.

4. Was muss denn in der Betriebsratsanhörung drinstehen?

Zunächst sind dem Betriebsrat die so genannten Sozialdaten, d. h. die Personalien des Arbeitnehmers, Geburtsdatum, Familienstand, gegebenenfalls Anzahl der Kinder, Unterhaltspflichten, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Art der derzeitigen Beschäftigung, ein möglicherweise bestehender besonderer Kündigungsschutz, die Kündigungsart sowie die Kündigungsfrist mitzuteilen. Hinsichtlich der ebenfalls mitzuteilenden Kündigungsgründe ist der maßgebliche Sachverhalt so genau und umfassend zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigung zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Es gilt der Grundsatz der so genannten „subjektiven Determinierung“. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber alle Umstände mitteilen muss, die den Kündigungsentschluss bestimmt haben. Dem kommt er nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus einer eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt mitteilt. Es dürfen keine Informationen gegeben bzw. vorenthalten werden, aufgrund derer bzw. ohne die für den Betriebsrat ein falsches Bild über den Sachverhalt entstehen könnte. Im Übrigen sind im Hinblick auf die verschiedenen Kündigungsarten (personen-/verhaltens- und betriebsbedingte Kündigung) detaillierte Ausführungen erforderlich. Ist der Kündigungssachverhalt verkürzt und unvollständig dargestellt, ist die Anhörung nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden, sodass diese ebenfalls unwirksam ist. Ferner sind Gründe, die beim Kündigungsausspruch bekannt waren, jedoch nicht in der Anhörung angegeben worden sind, im Kündigungsschutzprozess nicht verwertbar. Es ist also bei der Formulierung der Betriebsratsanhörung große Sorgfalt an den Tag zu legen und eher ein Satz zu viel als zu wenig zu schreiben.

5. Ist die Betriebsratsanhörung formgebunden?

Das Gesetz schreibt keine besondere Form vor. Aus Beweisgründen sollte eine Betriebsratsanhörung aber stets schriftlich erfolgen und mit einer Empfangsbestätigung versehen sein.

6. Gibt es Fristen zu beachten?

Bei der ordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat die Möglichkeit, innerhalb einer Woche nach Übergabe des Anhörungsschreibens dem Arbeitgeber schriftlich seine Bedenken mitzuteilen. Hieraus folgt, dass die Anhörung spätestens acht Tage vor dem vorgesehenen Kündigungszeitpunkt dem Betriebsrat übergeben werden muss.

Bei einer außerordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat eventuelle Bedenken innerhalb von drei Tagen schriftlich mitzuteilen. Eine Unterrichtung ist somit spätestens vier Tage vor dem beabsichtigten Ausspruch der Kündigung erforderlich. Bei der Fristberechnung ist zu berücksichtigen, dass die Frist am Tag nach Zugang der Mitteilung beim Betriebsrat zu laufen beginnt. Der Zugangstag ist also nicht mitzurechnen. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Beispiel: Bei Eingang einer Mitteilung des Arbeitgebers am Freitag beginnt die Wochenfrist am Samstag und endet am darauffolgenden Freitag, 24 Uhr, d. h. der frühestmögliche Ausspruch der Kündigung kann am folgenden Samstag vorgenommen werden.

7. Sind diese Fristen vor Ausspruch der Kündigung stets abzuwarten?

Hat der Betriebsrat für den Arbeitgeber erkennbar schon vor Ablauf der Fristen eine abschließende Stellungnahme abgegeben, kann die Kündigung auch schon eher ausgesprochen werden. Dabei ist vom Arbeitgeber darauf zu achten, dass es sich bei einer solchen Stellungnahme erkennbar um eine solche des Betriebsratsgremiums nach Beschlussfassung handelt und nicht um eine spontane Äußerung eines Betriebsratsmitgliedes. Ist eine Stellungnahme nicht erfolgt, ist der Ablauf der Frist stets abzuwarten. Eine vor Ablauf der Frist ausgesprochene Kündigung ohne vorherige Stellungnahme des Betriebsrates ist ebenfalls unwirksam, da das Anhörungsverfahren noch nicht abgeschlossen war.

8. An wen ist die Anhörung zu richten?

Adressat der Betriebsratsanhörung ist grundsätzlich der Betriebsratsvorsitzende. Ist dieser verhindert, ist sie dem Stellvertreter zu übergeben. Der Arbeitgeber sollte sich – auch um die Fristen zu dokumentieren – die Übergabe des Anhörungsschreibens auf einer Empfangsbestätigung quittieren lassen. Das einzelne Betriebsratsmitglied ist nur in besonderen Ausnahmefällen empfangsberechtigt.

9. Wie sind die Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrates?

Der Betriebsrat kann innerhalb der Wochenfrist bei einer ordentlichen Kündigung der beabsichtigten Kündigung zustimmen. Er kann aber auch die Wochenfrist verstreichen lassen oder dem Arbeitgeber mitteilen, dass er nicht vorhat, eine Stellungnahme abzugeben. Dann sollte die Wochenfrist gleichwohl abgewartet werden. In diesen Fällen gilt die Zustimmung als erteilt und der Arbeitgeber kann die Kündigung aussprechen. Bei einer außerordentlichen Kündigung muss sich der Betriebsrat innerhalb von drei Tagen abschließend äußern.

Ferner kann der Betriebsrat innerhalb der Fristen Bedenken äußern. Dies ist im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers unbeachtlich. Schließlich kann der Betriebsrat auch schriftlich widersprechen.

10. Was ist im Falle eines Widerspruches zu beachten?

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben ist ein Widerspruch nur bei Vorliegen eines der vier genannten gesetzlichen Widerspruchsgründe rechtlich möglich. Der Widerspruch ist schriftlich und innerhalb der Frist schlüssig und anhand konkreter Tatsachen, die sich auf diese Widerspruchsgründe beziehen, vorzunehmen. So ist ein Widerspruch nur möglich, wenn soziale Gesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind, ein Verstoß gegen Auswahlrichtlinien vorlag, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht oder eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbarer Umschulung gegeben ist und schließlich eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unter geänderten Bedingungen möglich erscheint. Im Falle eines solchen Widerspruchs ist für den Arbeitgeber nach wie vor der Ausspruch der Kündigung möglich. Die Stellungnahme des Betriebsrates ist jedoch dem Kündigungsschreiben beizufügen. Ferner kann der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kündigung geltend machen.

Unser Experte

Martin Jonetzko

Martin Jonetzko

Rechtsanwalt
Stellvertretender Hauptgeschäftsführer
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