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Urlaub und Urlaubsabgeltung

Unsere Juristin beantwortet zehn Fragen zu diesem Thema

 

1. Wovon ist das Entstehen des Urlaubsanspruchs abhängig?

Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist Voraussetzung, dass ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Urlaubsanspruch nach dem BUrlG steht ebenso wie der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX also nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum gearbeitet, d. h. eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch entsteht daher auch dann, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht gearbeitet hat, also im Fall der Langzeiterkrankung. Etwas anderes gilt jedoch nach neuerer Rechtsprechung, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer gesetzlichen, tarif- oder arbeitsvertraglichen Regelung ruht oder geruht hat. Diese Zeiten sind bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht zu berücksichtigen (z. B. bei unbezahltem Sonderurlaub/ Sabbatical oder in der Freistellungsphase der Altersteilzeit). Wiederum etwas anderes gilt bei der Elternzeit: Der Erholungsurlaub kann
gem. der gesetzlichen Regelung durch den Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 gekürzt werden. Der Urlaubsanspruch wird also nicht automatisch gekürzt, sondern ist von einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers abhängig.

Das Kürzungsrecht kann nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam ausgeübt werden. Während einer Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers ruht dessen Arbeitsverhältnis regelmäßig nicht.

2. Was gilt bei Zuerkennung einer unbefristeten (Erwerbsminderungs-)Rente?

Für den Urlaubsanspruch ohne Bedeutung ist, dass dem Arbeitnehmer – möglicherweise sogar rückwirkend – eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden ist. Die Zuerkennung einer solchen Rente führt grundsätzlich nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente vermindert Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers daher grundsätzlich nicht. Entsprechendes gilt bei der Inanspruchnahme einer sonstigen unbefristeten Rente (zum Beispiel der sog. Altersrente bei Erreichen der Regelaltersgrenze).

Vorstehendes kann jedoch anders sein, wenn tarifliche Regelungen für das Arbeitsverhältnis gelten und diese andere Regelungen vorsehen oder wenn die Arbeitsvertragsparteien entsprechende Regelungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen haben.

3. Wie viele Urlaubstage stehen dem Arbeitnehmer zu?

Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage gem. BUrlG. Werktage sind die Tage von Montag bis Samstag; mithin geht das Gesetz von einer 6- Tage-Woche aus. Entsprechend beträgt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch bei einer 5-Tage-Woche 20 Tage. In der Regel werden aber aufgrund tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Vereinbarungen mehr Urlaubstage gewährt als gesetzlich vorgesehen.

4. Was ist, wenn der Urlaub bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in natura genommen werden kann?

Nach der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden kann,
finanziell abzugelten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Soweit also
im noch laufenden Arbeitsverhältnis von in der Regel langzeiterkrankten Arbeitnehmern Abgeltungsansprüche geltend gemacht werden (dieses kommt offenbar nicht selten vor), so sollten diese arbeitgeberseitig nicht erfüllt werden. Da Urlaubsansprüche fortlaufend „neu“ entstehen, auf der anderen Seite jedoch auch für die zurückliegende Zeit verfallen können, wird ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Unternehmen viel zu viel Urlaubsabgeltung gezahlt. Ferner besteht das Risiko, dass der Arbeitnehmer zusätzlich noch seinen nicht erfüllten Urlaubsanspruch geltend
macht, jedenfalls soweit der unabdingbare gesetzliche Mindesturlaub betroffen ist. Der Urlaubsanspruch wird also nicht erfüllt.

5. Wann verfallen die offenen Urlaubsansprüche?

Das BAG hat längst entschieden, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche bei langzeiterkrankten, auch ausgesteuerten Arbeitnehmern 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres – grundsätzlich – verfallen. Die gesetzlichen Urlaubsansprüche des Jahres 2021 sind also mit Ablauf des 31. März 2023 – jedenfalls grundsätzlich – verfallen. Das bedeutet, dass hinsichtlich der vom Arbeitgeber zu leistenden Urlaubsabgeltung der wirtschaftlich beste Beendigungstermin für ein Arbeitsverhältnis der 31. März ist. Abzugelten ist dann der Urlaubsanspruch des vorangegangenen Jahres sowie 3/12 des laufenden Jahres. Beim Beendigungsdatum 28. Februar ist demgegenüber der offene Urlaubsanspruch des vorvergangenen Jahres, des vorangegangenen Jahres sowie 2/12 des laufenden Jahres finanziell abzugelten.

6. Gilt dies auch für die tarif- oder arbeitsvertraglichen Mehrurlaubsansprüche?

Das soeben Beschriebene gilt auch für den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Mehrurlaubsanspruch, es sei denn, dass zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem übergesetzlichen (also dem tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen) Mehrurlaubsanspruch ausdrücklich vertraglich differenziert wird und zwar in der Weise, dass der übergesetzliche Urlaub komplett eigenständigen Regelungen unterworfen wird. Das BAG macht also zur Voraussetzung, dass es hinsichtlich des Mehrurlaubsanspruchs ein sog. „eigenständiges Urlaubsregime“ gibt. Es ist also nicht ausreichend, ausschließlich hinsichtlich der jeweiligen Anzahl der Urlaubstage (Beispiel: „Der Arbeitgeber gewährt den gesetzlichen Mindesturlaub in Höhe von derzeit 20 Urlaubstagen und zusätzlich weitere
6 Mehrurlaubstage.“) zu unterscheiden. Zwingend erforderlich ist es, in den urlaubsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Übertragung und/oder des Verfalls und/oder der Abgeltung ausdrücklich zu differenzieren. Anderenfalls geht das BAG von einem sogenannten „Gleichlauf“ der Urlaubsansprüche aus. Unterfallen aber die sog. Mehrurlaubsansprüche einem eigenständigen Urlaubsregime, so können diese auch vor Ablauf des 15-Monats-Zeitraumes verfallen. Der Mehrurlaubsanspruch kann frei zwischen den Tarifvertragsoder Arbeitsvertragspartnern geregelt werden (Anzahl der zusätzlichen Urlaubstage, Modalitäten seiner Inanspruchnahme und seines Verfalls sowie der Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses).

7. Verfällt der Urlaub „automatisch“ nach Ablaufder 15-Monats-Frist nach Ablauf des Urlaubsjahres?

Dies ist bedauerlicherweise nicht mehr der Fall. Das BAG hat inzwischen die Vorgaben des EuGH hierzu umgesetzt. Es besteht nunmehr eine sog. „Mitwirkungsobliegenheit“ des Arbeitgebers. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt nur dann am Ende des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraumes, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer diesen dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer daher auffordern, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraumes verfällt, wenn er den Urlaub nicht beantragt. Der Arbeitgeber sollte dem Arbeitnehmer daher möglichst zu Beginn eines Kalenderjahres in Textform mitteilen, wie hoch sein Urlaubsanspruch ist und ihn auffordern, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann. Ferner sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Konsequenzen belehren, die eintreten, wenn er den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt.

8. Muss der Arbeitgeber auch bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern seine Mitwirkungspflicht erfüllen?

Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern ist die vorbezeichnete Aufforderung dann ohne Sinn, wenn der Arbeitnehmer durchgehend während des gesamten Kalenderjahres arbeitsunfähig krank war. In diesem Fall verfällt der Urlaub – auch ohne das vorbezeichnete Schreiben, mit dem der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt – mit Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Hat der Arbeitgeber zwar seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt, hat in dieser Konstellation der Urlaub wegen der im Kalenderjahr durchgehenden Langzeiterkrankung gleichwohl nicht genommen werden können. Anders sieht dieses jedoch für das Urlaubsjahr aus, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich vor Beginn der Langzeiterkrankung noch gearbeitet hat. Ist der Arbeitgeber in dem betreffenden Jahr seiner beschriebenen Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, so verfällt der dort entstandene restliche Urlaubsanspruch nach der neuen Rechtsprechung nicht. Das BAG gewährt hier keinen Vertrauensschutz, so dass von dieser Rechtsprechung auch Urlaubsansprüche aus Jahren erfasst werden, in denen es die durch die Rechtsprechung entwickelte Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers noch gar nicht gab. In dem inzwischen entschiedenen Fall ging es um einen Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2014.

9. Wenn der Urlaub womöglich also wegen der Verletzung von Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers nicht verfällt, verjährt er dann wenigstens?

Auch hier gibt es eine neue Rechtsprechung des BAG. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt nicht etwa mit dem Ende des Urlaubsjahres, in dem der Urlaub entstanden ist, sondern vielmehr erst mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über dessen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Die Verjährungsfristen dienen der Rechtssicherheit; der Arbeitgeber könne diese gewährleisten, in dem er seine Obliegenheit gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole, so das BAG. Das bedeutet, dass Urlaubsansprüche durch den Arbeitnehmer auch noch viele Jahre später geltend gemacht werden können. Die Verjährung beginnt erst dann, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit
nachgekommen ist.

10. Was ist, wenn ein Arbeitnehmer verstirbt?

Verstirbt der Arbeitnehmer im noch laufenden Arbeitsverhältnis, so wandelt sich sein Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Dieser Anspruch geht als finanzieller Anspruch auf die Erben über. Eine frühere anderslautende Rechtsprechung ist inzwischen überholt. Verstirbt der Arbeitnehmer nach der rechtlichen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und besteht ein Urlaubsabgeltungsanspruch, so geht dieser auf die Erben über. Dies war auch nach „alter“ Rechtsprechung bereits so.

Unsere Expertin

Heike Zeitel

Rechtsanwältin
(Syndikusrechtsanwältin)
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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