

[uv]magazin: Der Fachkräftemangel ist Fakt, parallel bauen Unternehmen aktuell Personal ab – was bedeutet diese auf den ersten Blick paradoxe Situation für Personalabteilungen, insbesondere das Recruiting?
Angelika Kambeck: „Wir befinden uns in einem Wandel des Arbeitsmarktes, bei dem auch im Recruiting radikal umgedacht werden muss und diverse Dilemmata, wie zum Beispiel Überhänge bei der einen Firma und Knappheit bei dem anderen Unternehmen gehandhabt werden müssen.“
[uv]magazin: Wie kann Recruiting das leisten?
Angelika Kambeck:„Die Formel lautet mehr denn je, extern und intern die richtigen Talente zu finden und zu binden. Dafür braucht es breitere Differenzierung und weniger „one size fits all“. Recruiting wird mehr und mehr zum Spezialgebiet und sollte im Unternehmen auch adäquat hoch genug aufgehangen sein. Zu externen Kandidatinnen und Kandidaten muss dauerhaft eine stabile Bindung aufgebaut werden. Hier können intelligente Karriereseiten, geschärfte Profile und Kampagnen mit schnellen Bewerbungsprozessen und einem allzeit datenbasierten Ansatz sehr wirkungsvoll sein. Im internen Recruiting ist die zentrale Herausforderung, die Bindung der Mitarbeitenden zu erhöhen. Hier sind die Stichworte Unternehmenskultur und Teilhabe der Mitarbeitenden.“
[uv]magazin: Das scheint ja noch nicht zu funktionieren. Mehr als 7,3 Millionen Beschäftigte in Deutschland haben innerlich gekündigt. Nur noch 14 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fühlen sich stark an ihr Unternehmen gebunden, so der aktuelle „Gallup Engagement Index Deutschland“. Was läuft falsch in deutschen Unternehmen?
Angelika Kambeck:„Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt. Umso entscheidender ist es, immer den jeweiligen Kontext, die jeweilige Unternehmensrealität zu betrachten. Copy & Paste von HR-Konzepten funktioniert nicht. Unternehmen müssen identifizieren, was sie auf der einen Seite für ihre eigene Zukunftsfähigkeit benötigen und wie sie dies kombinieren können mit Rahmenbedingungen, die die Mitarbeitenden dazu bringen, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und gerne Leistung bringen zu wollen. Weil es Spaß und Sinn macht!“
[uv]magazin: Was kann Human Resources konkret tun, um die Mitarbeiterbindung zu stärken?
Angelika Kambeck: „HR übernimmt im Idealfall die Rolle eines ‚Übersetzers‘ und bricht die Unternehmensstrategie und den -kontext auf die Beschäftigten herunter. Und zwar so, dass der Purpose, also der Sinn und Zweck, deutlich und verständlich wird.
Fünf Punkte, die hier wichtig sind:
- HR muss sich dauerhaft als Partner auf Augenhöhe von Vorstand, Entscheidern und internen Kunden positionieren. Dazu gehört auch, bewusst in schwierige Dialoge einzusteigen.
- Es geht also nicht darum, lediglich Aufgaben abzuarbeiten. HR sollte immer in Ergebnissen denken und Maßnahmen implementieren, die im Unternehmen nachweislich Wirkung entfalten.
- Personalabteilungen tun gut daran, sich immer wieder co-kreative Menschen, Partner und Partnerinnen dazu zu holen, die aus einer anderen Perspektive Lösungen mitdenken können, sodass diese noch wirkungsvoller werden.
- Ganz wichtig: Geschwindigkeit aufnehmen und in Piloten oder Prototypen direkte Ergebnisse erzielen.
- Und auch für HR gilt: Wer rastet, der rostet. Sich selbst stets weiterzuentwickeln ist unabdingbar – das fordern Personaler ja auch von allen anderen. Die besten Instrumente, um immer am Ball zu bleiben, sind Humor und Mut.“


„Wir befinden uns in einem Wandel des Arbeitsmarktes, bei dem auch im Recruiting radikal umgedacht werden muss und diverse Dilemmata, wie zum Beispiel Überhänge bei der einen Firma und Knappheit bei dem anderen Unternehmen gehandhabt werden müssen.“
Angelika Kambeck, HR-Advisor, Berater und Coach
[uv]magazin: Stichwort digitale Transformation: Können Künstliche Intelligenz oder automatisierte Prozesse im Personalbereich bei den Herausforderungen helfen? Oder geht es bei diesen Themen lediglich um Effizienzsteigerungen in den HR-Abteilungen?
Angelika Kambeck:„Die KI wird uns revolutionieren und sicherlich sollten wir in Deutschland dem Thema noch mehr Beachtung schenken, etwa durch den Aufbau einer echten deutschen KI-Industrie und KI-Centern of Expertise in Unternehmen. Wir werden in Zukunft bei der Arbeit unterscheiden zwischen menschenzentrierter Arbeit, KI-unterstützer Arbeit und KI-autonomer Arbeit. Hier den richtigen Anpack zu finden und diese drei Ansätze zu managen, das ist auch Aufgabe von HR.“
[uv]magazin: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was sind die drei großen Handlungsfelder der Personalpolitik in den kommenden Jahren?
Angelika Kambeck: „1. Die produktive Ergänzung von KI und menschenzentrierter Arbeit. 2. Das co-kreative gemeinsame Gestalten von Veränderung statt klassischem Change-Management. 3. Und ganz wichtig: Immer wieder den Fokus zu schärfen und zu halten hinsichtlich dem, was das Unternehmen anstrebt und was es entsprechend auf der Mitarbeitenden dafür wirklich benötigt – mit Wirksamkeit und schnellen Ergebnissen statt Aktionismus.“


Kontakt zum Autor

