Rente, Krankenkasse, Berufsgenossenschaft & Co.: Für Arbeitgeber ist die Sozialversicherung ihrer Beschäftigten ein milliardenschwerer Kostenfaktor. Ein Interview mit Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes, der in vielen Gremien die Arbeitgeberinteressen vertritt.

[uv]magazin:Unternehmerische Selbstverwaltung – was heißt das eigentlich?
Wolfgang Schmitz: Das Prinzip ist hierzulande vor allem von den Kammern bekannt, also etwa für Industrie und Handel, fürs Handwerk oder für die Berufsstände. Wir als Arbeitgeberverband spielen an zwei entscheidenden Stellen eine Rolle: Erstens bei der Selbstverwaltung der Tarifparteien: Gemeinsam mit den Gewerkschaften regeln wir Arbeitsbedingungen, Löhne und Konfliktlösungen durch Tarifverträge ohne direkte staatliche Eingriffe. Und zweitens in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen.

[uv]magazin:Selbst regeln anstatt dass der Staat für uns entscheidet – ist das der Kern?
Wolfgang Schmitz: Ganz genau wenn Unternehmerinnen und Unternehmer selbst oder wir stellvertretend für sie Eigenverantwortung ergreifen, können wir Rahmenbedingungen mitgestalten, statt nur passiv Vorgaben mit hohem bürokratischem Aufwand von staatlicher Seite umzusetzen. Ganz konkret haben wir so z. B. bei Rentenversicherung und Berufsgenossenschaft direkten Einfluss, damit Beitragssätze, Leistungsstrukturen, Förderungen oder Verwaltungsabläufe tragfähig bzw. effizient sind.

[uv]magazin:Was bewegen Sie in der Selbstverwaltung ganz konkret?
Wolfgang Schmitz: Die Gremien der Sozialversicherungen sind selbstverwaltend organisiert und paritätisch aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertretern besetzt. Auch ein Einzel-Unternehmer kann diese Position ausfüllen. Da aber häufig die Zeit und manchmal auch Wissen und Erfahrung dafür fehlen, übernehmen wir hier häufig als Verband. In den Gremien herrscht echte und unmittelbare Mitsprachegelegenheit – mit unserem Wissen, der Erfahrung und manchmal auch mit Mut zur Kritik können wir echt viel bewegen! Und das tun wir. Gerade im wichtigen Feld der Arbeitsmarktpolitik bewirken wir im Auftrag unserer Mitgliedsunternehmen einiges, z. B. dass passgenaues Personal weitergebildet wird, Flüchtlinge integriert werden, Langzeitarbeitslose in Beschäftigung gelangen, Jugendliche den Weg in die Duale Berufsausbildung finden oder Industriearbeitsplätze mehr Wertschätzung erhalten.

[uv]magazin:Welche Aufgaben übernimmt der Unternehmerverband in der Rentenversicherung?
Wolfgang Schmitz: In der Rentenversicherung sprechen wir allein für das Gebiet Rheinland über ein jährliches Budget von über 23 Milliarden Euro, wovon die Hälfte die Arbeitgeber zahlen. Hier geht es also um richtig viel Geld! Wir setzen uns dafür ein, dass die Beiträge stabil und die Verwaltung effizient bleiben. Wir wirken darauf hin, dass die Belastungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgewogen sind. Außerdem begleiten wir Reformen, um das Rentensystem etwa im Hinblick auf den demografischen Wandel zu stabilisieren.

[uv]magazin:Was ist Ihre Rolle bei den Krankenkassen?
Wolfgang Schmitz: Bei der AOK Rheinland/Hamburg beispielsweise sind wir im Verwaltungsrat, im Regionalbeirat Ruhrgebiet und im Widerspruchsauschuss aktiv; im AOK Bundesverband zudem im Aufsichtsrat. Das hohe Engagement belegt: Auch hier geht es um viel Geld; wir reden mit bei Beitragssätzen und Verwendung der Mittel. Als Mitglied im Verwaltungsrat z. B. beschließen wir auch die Zusatzbeiträge.

[uv]magazin: Fehlen noch die Berufsgenossenschaften…
Wolfgang Schmitz: Wenn über 0,2-Prozentpunkte mehr beim Beitrag diskutiert wird, kann es für ein mittelständisches Unternehmen schnell um zehntausende Euro zusätzliche Kosten gehen. Wir vertreten die Arbeitgeber-Interessen bei den Berufsgenossenschaften, die meist Träger der Unfallversicherung sind, und setzen uns z. B. für praxistaugliche Präventionsmaßnahmen ein, die die Sicherheit am Arbeitsplatz verbessern, ohne die Unternehmen unverhältnismäßig zu belasten. In der Berufsgenossenschaft Holz und Metall bin ich z. B. auch in der Kommission vertreten, die die Beiträge festlegt.

[uv]magazin: Wie profitieren die Unternehmen von Ihrer Arbeit in diesen Institutionen?
Wolfgang Schmitz: Die Sozialversicherungen, das wurde jetzt schon deutlich, sind ein riesiger Kostenfaktor für die Unternehmen. Indem wir die unternehmerischen Interessen vertreten, minimieren wir die Belastungen durch Beiträge, vereinfachen Verwaltungsprozesse und machen die soziale Sicherung nachhaltiger. Das bringt die so wichtige Planungssicherheit für die Wirtschaft.

„In der Rentenversicherung sprechen wir allein für das Gebiet Rheinland über ein jährliches Budget von über 23 Milliarden Euro. Hier geht es also um richtig viel Geld! Wir setzen uns in den Gremien dafür ein, dass die Beiträge stabil und die Verwaltung effizient bleiben. Mit Wissen, Erfahrung und manchmal auch mit Mut zur Kritik können wir echt viel bewegen.“


Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer Unternehmerverband

[uv]magazin: Warum ist diese Selbstverwaltung so wichtig?
Wolfgang Schmitz: Diese Institutionen spielen eine zentrale Rolle für den Arbeitsmarkt, die soziale Absicherung und die Gesundheitsversorgung. Als Arbeitgebervertreter gestalten wir aktiv Beiträge, Leistungen oder Verfahren mit. Die sozialen Sicherungssysteme müssen effizient und tragfähig bleiben. Das war z. B. auch ein wichtiger Apell im Kontakt mit der Politik rund um die jüngste Bundestagswahl: Die Sozialbeiträge dürfen nicht über 40 Prozent steigen, das macht unseren Standort Deutschland noch weniger wettbewerbsfähig.

[uv]magazin: Sie und Ihr Team sind nicht nur selbst in Gremien aktiv, sondern der Unternehmerverband ernennt auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter. Warum ist diese Aufgabe so wichtig?
Wolfgang Schmitz: Führungskräfte aus dem HR-Bereich, die wir aus unserem Mitgliederkreis vorschlagen, sorgen mit ihren praktischen Erfahrungen in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren dafür, dass Urteile praxisnah, ausgewogen und fair sind. Das stärkt das Vertrauen der Arbeitgeber in die Rechtsprechung. Bei Fragen rund um Kündigungen, Arbeitszeitregelungen oder Beitragsstreitigkeiten haben sie eben genau nicht die juristische Brille auf, sondern die für die wirtschaftliche Realität. 

[uv]magazin: Die unternehmerische Selbstverwaltung ist eine zentrale Säule, mit der Unternehmen innerhalb eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems Einfluss nehmen und mitgestalten. Es gibt ja auch die unternehmerische Interessenvertretung allgemein…
Wolfgang Schmitz: Genau. Ganz einfach gesagt macht sie die Anliegen und Bedürfnisse von Unternehmen in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen sicht- und hörbar. Wir haben mal unsere Ehrenämter zusammengestellt – einen Überblick bieten die unten stehenden Listen – und man muss schon sagen, dass da eine ganze Reihe von Aufgaben, Institutionen, Themen und Netzwerken zusammenkommt!

[uv]magazin: Schauen wir zunächst in Richtung der Politik: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Wolfgang Schmitz: Wir haben über unsere eigenen politischen Kontakte und unsere Landes- und Bundesvereinigungen direkte Drähte, um etwa Gesetzgebung im Arbeitsrecht oder im Sozialrecht mitzugestalten. Themen sind z. B. der Mindestlohn oder das Arbeitszeitgesetz. Ziel ist immer, dass die Regelungen durch unsere Einblicke praxistauglich und wirtschaftlich tragbar bleiben – das wurde ja schon in der oben beschriebenen Selbstverwaltung sehr deutlich. Wir sind besonders effektiv, weil wir einzelne unternehmerische Anliegen zu einer starken Stimme bündeln.

[uv]magazin: Und wenn wir in die Betriebe schauen: So wie der Unternehmerverband die Interessen der Arbeitgeber vertritt, tun dies Gewerkschaften für Beschäftigte…
Wolfgang Schmitz: Wir sehen uns als Gegengewicht, um sicherzustellen, dass Themen nicht einseitig diskutiert oder entschieden werden. Es geht nicht darum, andere Interessen zu blockieren, sondern eine Balance und Kompromisse zu finden, die für alle Seiten tragfähig sind. Darum geht es ja auch immer bei Tarifverhandlungen: Für die Branchen Metall- und Elektroindustrie, Industrieservice und Altenpflege sind wir ja etablierter Tarifträgerverband; für viele andere Branchen und viele unserer Mitgliedsunternehmen Tarifpartner.

[uv]magazin:In Medien und Gesellschaft sind Arbeitgeber eher die Buh-Männer als die Arbeitnehmer. Hilft hier eine starke unternehmerische Interessenvertretung besonders?
Wolfgang Schmitz: Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, treiben Innovationen voran und generieren Steuereinnahmen. Eine starke Wirtschaft sichert unseren Wohlstand und letztendlich die Stabilität der gesamten Gesellschaft. Diese Argumente bringen wir in den öffentlichen Diskurs ein, damit er nicht zu einseitig wird. Denken Sie allein an die Diskussion um die 4-Tage-Woche: Wir können nicht alle weniger arbeiten und auch noch mehr verdienen und davon ausgehen, dass unsere Wertschöpfung und damit unser Wohlstand einfach so bleiben. Ob Interessenvertretung oder Selbstverwaltung – wir bleiben auf jeden Fall am Ball, damit die Belange der Arbeitgeber weiterhin gehört und berücksichtigt werden.

Weiterführende Infos

  • www.unternehmerverband.org

Kontakt zur Autorin

Jennifer Middelkamp

Jennifer Middelkamp

Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve