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Kalender
Unternehmertage und -treffen, Seminare, Arbeitskreise, Business Breaks oder Netzwerkveranstaltungen – die nächsten Termine des Unternehmerverbandes sind hier aufgelistet.
WeiterlesenDeutschland braucht mehr Bock auf Arbeit – mit dieser Aussage hat Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer unserer Dachorganisation BDA, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, eine
hitzige Debatte ausgelöst. Im Kern plädiert er für eine grundsätzliche Haltungsänderung – zu viel soziale Fürsorge und staatliche Abfederung habe die Menschen verlernen lassen, dass Geld zunächst erwirtschaftet werden müsse. Dass wir alle weniger arbeiten, werde nicht funktionieren. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt lasse sich nicht in Teilzeit betreiben – so drückte es der Politikchef des Handelsblattes aus. Das Institut der Deutschen Wirtschaft befürchtet gar, Deutschland drohe wieder zum „kranken Mann in Europa“ zu werden: „Der Fachkräftemangel hat den Zenit noch lange nicht erreicht, da viele Babyboomer noch im Job sind. Deutschland droht in den kommenden Jahren ein enormer Wohlstandsverlust und eine Überforderung des Rentensystems.“ Es brauche eine reguläre 42-Stunden-Woche, ähnlich wie in der Schweiz und in Schweden, um dem demografischen Wandel entgegenzutreten und die Lücken zu schließen. Das ist die politische Seite – aber wie sieht die unternehmerische aus? Auch unsere Mitgliedsunternehmen spüren, dass angesichts des Fachkräftemangels flexiblere Arbeits- (zeit)modelle nötig sind. Die Kernfragen lauten: Wie wollen, können und müssen wir künftig arbeiten? Und wie schafft und vermittelt Arbeit Sinn? New Work par exellance. Die Antworten, die wir finden, werden die Richtung für den Wirtschaftsstandort Deutschland vorgeben. In dieser Ausgabe stellen wir die Arbeitszeitmodelle von zwei unserer Mitgliedsunternehmen vor: 36 Stunden arbeiten und dafür das gleiche Gehalt bekommen wie für 39 Stunden – das gilt bei der Volksbank Rhein-Ruhr in Duisburg. Vier Tage à zehn Stunden statt fünf à acht arbeiten – damit experimentierte die
dpi Türdesign GmbH in Wesel. Auch lesen Sie einen Standpunkt unseres Unternehmerverbandes zum Thema 4-Tage-Woche – und was das Arbeitszeitgesetz damit zu tun hat.
[u!]:Die 4-Tage-Woche kennt man bisher von hippen Berliner Start-ups oder von IT-Schmieden, die anders die Fachleute nicht anlocken können. In Ihrem Unternehmen galt die 4- Tage-Woche für einige Monate für
einen Teil der Belegschaft in der Vorfertigung, also für die Produktion. Wie hip ist das denn?
Andreas Krogull: „Der Ausgangspunkt war eigentlich ziemlich handfest: Wir haben uns gefragt, ob wir beim Pulverbeschichtungsofen angesichts stark steigender Energiepreise sparen können, indem wir ihn nicht
mehr fünf, sondern nur noch vier Tage pro Woche anheizen. Die zweimonatige Testphase hat dann zwei Ergebnisse geliefert: Die Energie-Einsparpotenziale sind leider marginal, dafür lohnt sich das nicht. Aber die
Begeisterung in der Belegschaft war groß! Deshalb haben wir die Testphase auf ein halbes Jahr verlängert und arbeiteten dort nur von montags bis donnerstags.“
[u!]:Für wen galt die 4-Tage-Woche?
Andreas Krogull: „Sie galt derzeit für 24 Beschäftigte in einem speziellen Bereich unserer Vorfertigung, das sind die Pulverbeschichtung und -vorbereitung, die Nasslackierung und die Tiefziehung, letzteres ist die Design- Prägung per Thermoverfahren. Für die weiteren 120 Beschäftigten gilt weiterhin die 5-Tage-Woche. Wobei: Wir sind total offen, auch in anderen Abteilungen konkreter darüber nachzudenken.“
[u!]:Heißt das denn, vier Tage arbeiten bei vollem Lohnausgleich?
Andreas Krogull: „Das nicht. Wir haben die 40 Stunden auf 4 Tage à zehn Arbeitsstunden verteilt. Das bringt für die Kolleginnen und Kollegen abgesehen von dem immer langen Wochenende den großen Vorteil,
eine Anfahrt – messbar in Zeit, Geld und Nerven – zu sparen.“
[u!]:Was hindert Sie daran, das Modell auf alle Ihre Beschäftigten auszuweiten?
Andreas Krogull: „Zunächst einmal will das gar nicht jeder. Denken Sie an die Eltern, die in Teilzeit arbeiten. Wer nachmittags seine Kinder betreut, kann nicht zehn Stunden am Stück arbeiten. Da hören wir schon
sehr genau zu, was unsere Teams wollen.
Zweiter Punkt: Während die Vorfertigung sehr standardisiert und strukturiert ist, passt ein 4-Tage-Modell nicht ohne Weiteres in unsere anderen, teils viel komplexeren Abläufe. So bauen zum Beispiel in der Endfertigung die Bereiche – wir produzieren im Einschichtbetrieb – Hand in Hand aufeinander auf. Es würde zu Verzögerungen kommen, wenn ein Team nur vier Tage pro Woche arbeitet. Aber auch hier sind wir total offen für neue Lösungen: Es wären z. B. versetzte Schichten denkbar, also ein Team arbeitet von montags bis donnerstags und eins von dienstags bis freitags. Klar ist: Wir brauchen eine Komplettlösung für einen ganzen Bereich, da muss dann auch das Gros der Kolleginnen und Kollegen hinter stehen, sonst funktioniert das nicht.“
[u!]:Wie hoch war der bürokratische Aufwand?
Andreas Krogull:„Natürlich gab es einen gewissen administrativen Aufwand für unsere Personalabteilung: Die Arbeitskonditionen mussten angepasst, das neue Arbeitszeitmodell im Zeiterfassungssystem integriert
und die Urlaubsregelung angepasst werden. Wir sind pro Tag an die maximale Arbeitszeit gegangen, das bedeutet aber auch zusätzliche Pausen, die integriert werden müssen. Bei all diesen Fragen konnten wir auf die juristische Beratung durch den Unternehmerverband setzen – das war eine große Hilfe.“
[u!]:Ist das neue Modell in Stein gegossen?
Andreas Krogull: „Nahezu in allen Arbeitsbereichen heißt es heute: Wir müssen flexibel bleiben! Wenn beispielsweise im Sommer draußen große Hitze herrscht, fängt das Team am Pulverbeschichtungsofen
auch schon mal um vier Uhr morgens an, um die ärgste Mittagshitze zu meiden. In solchen Zeiten wären wir dann eh wieder auf die 5-Tage-Woche umgeschwenkt – das wollten wir dann gemeinsam
mit unseren Beschäftigten entscheiden.“
[u!]: Nun ist aber schon vor dem Sommer eine Entscheidung gefallen: Sie haben die 4-Tage-Woche vorläufig gestoppt. Was war der Grund?
Andreas Krogull: Zunächst gab es keine negativen Nebeneffekte. Das Team zog super mit, es wurde gut geführt, es gab keinen Leerlauf. Ich war total überzeugt. Doch dann schlichen sich immer häufiger Fehler ein. Dies führen wir auf nachlassende Konzentration während der langen Schichten zurück.
[u!]:Wie hat die Belegschaft reagiert?
Andreas Krogull: In der betroffenen Mitarbeiterschaft findet die Entscheidung ein geteiltes Echo, überwiegend aber positiv. 4-Tage-Wochen sind attraktiv, aber bei zehn Stunden täglich auch anstrengend. Deshalb ist auch das Verständnis für unsere Entscheidung da.
[u!]:Wie geht es weiter?
Andreas Krogull: Langfristig werden sich eher Arbeitszeitmodelle mit 4-Tage-Wochen in 8-Stunden- Schichten durchsetzen. Wir haben das Projekt nun fast ein halbes Jahr durchgeführt und werden die Erfahrungen
für die Zukunft nutzen können.
[u!]: Für welchen Bereich suchen Sie neue Mitarbeitende?
Andreas Krogull: „Wir investieren gerade hier am Standort Wesel fünf Millionen Euro in ein neues Glaswerk, nachdem unsere bisherige Produktion in der Eifel der Ahrtal-Flut zum Opfer gefallen ist. Die Halle mit
vollautomatischer Isolierglasanlage wird in diesem Frühjahr fertiggestellt. Hierfür suchen wir 15 neue Kolleginnen und Kollegen, z. B. Industriemechaniker, Maschinenbediener und Produktionshelfer. Letztere brauchen keine klassische Ausbildung, sondern wir qualifizieren sie on the job weiter.“
[u!]:Wer sich angesprochen fühlt: Was genau stellt dpi Türdesign eigentlich her?
Andreas Krogull: „Für Hersteller von Haustüren bauen wir die Füllungen, also Bauteile für Haustüren. Diese sind entweder dekorativ, also etwa ein Glasausschnitt, oder funktionell, indem sie Wärme regulieren, Schall dämpfen oder für Sicherheit sorgen. Das ist eine Nische. Aber in dieser sind wir einer der größten und variantenreichsten Hersteller und Anbieter in Europa. Und wir stehen absolut für ‚Made in Germany‘.“
[u!]:Wie geht es bei dpi in Sachen Arbeitszeitgestaltung weiter?
Andreas Krogull: „Schon vor Corona gab es für unseren Innendienst Homeoffice-Regelungen. Wir werden auf jeden Fall schauen, wo es weitere Möglichkeiten gibt, neue Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Die
Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben uns zugleich gezeigt, wie wichtig der soziale Kontakt im Unternehmen ist. Ein gutes Miteinander im Betrieb liegt in unserem ureigenen Interesse.“
Die Volksbank Rhein-Ruhr, eine regionale Genossenschaftsbank mit Hauptsitz in Duisburg, steht auch vor der Herausforderung, offene Stellen zu besetzen. „In vielen Geschäftsstellen fehlen uns Servicemitarbeiter oder Berater. Mit dem neuen Arbeitsmodell wollen wir die Attraktivität für die Tätigkeiten vor Ort erhöhen“, erklärte Thomas Diederichs, Sprecher des Vorstandes, die Entscheidung der Bank.
Mobiles Arbeiten sei bereits flächendeckend eingeführt worden und das ist nun der nächste Schritt hin zum Arbeitgeber der Zukunft. „Eine gute Work- Life Balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Flexibilität im Job sind wichtige Faktoren, nicht nur bei der Gewinnung, sondern auch bei Bindung von Mitarbeitenden. Indem wir uns diesen Themen offensiv widmen, stellen wir uns – auch als Arbeitgeber – optimal für die Zukunft auf“, betont Diederichs. Bereits in den vergangenen Jahren hat die Genossenschaftsbank die notwendigen Vorkehrungen für dieses Arbeitszeitmodell getroffen – lesen Sie dazuauch nebenstehendes Interview. So wurden bereits die Öffnungszeiten der Geschäftsstellen angepasst und feste Service- und Beratungszeiten eingeführt. Thomas Diederichs erklärt: „Das Kundenverhalten verändert sich bereits seit einigen Jahren. Wir spüren deutlich, dass mehr Menschen ihre alltäglichen Bankgeschäfte von zu Hause aus erledigen. Neben unserem digitalen Beratungscenter voba4me haben wir unsere Beratungsleistungen an die veränderten Bedürfnisse unserer Mitglieder und Kunden angepasst.“ [www.volksbank-rhein-ruhr.de]
[u!]:Drei Stunden pro Woche weniger arbeiten fürs gleiche Gehalt: Wie organisieren und finanzieren Sie das?
Jens Boom: Die Organisation ist sehr schlank. Die technische Abbildung erfolgt über unser flexibles Zeitmanagementsystem. Die Organisation vor Ort übernehmen die Teams jeweils selbst. Im Rahmen der vorgegebenen Öffnungszeiten können individuelle (Freizeit-)Wünsche von KollegInnen gut umgesetzt werden.
[u!]: Dass Sie damit neue Fachkräfte anziehen möchten, ist ein nachvollziehbares Motiv. Wie wichtig bzw. wie wertvoll ist dieses Signal aber auch in den bestehenden Teams?
Jens Boom: Hier setzen wir auf Transparenz und eine klare Kommunikation. Erst einmal bedeutet weniger Arbeitszeit natürlich auch weniger Zeit, um die bestehende Arbeit zu erledigen. Auf der anderen
Seite zeigt sich deutlich, dass eine ausgewogene Work-Life-Balance eine hohe Bedeutung hat und am Ende der Arbeit zugutekommt. Mit diesem Schritt bewegen wir uns in die richtige Richtung.
[u!]: Welche Themen stehen sonst noch auf Ihrer To-Do-Liste, um ein attraktiver Arbeitgeber in der Region zu sein?
Jens Boom: Wir beschäftigen uns intensiv mit dieser Fragestellung und werden uns in diesem Jahr u. a. mit einem umfangreichen Projekt zur Markenpositionierung beschäftigen, welches auch ausstrahlen wird auf unsere Arbeitgebermarke. Letztlich ist von entscheidender Bedeutung, unverwechselbar als Arbeitgeber zu sein. Wo liegen unsere Alleinstellungsmerkmale? Die Kanäle, um z. B. BewerberInnen zu erreichen, werden von nahezu allen Unternehmen in gleicher Art und Weise genutzt – kreativ zu sein ist enorm wichtig und die Bereitschaft zu haben, auch einmal neue Wege zu gehen.
Autorin und Interviews:
Jennifer Middelkamp
Eine Vier-Tage-Woche ist bereits heute realisierbar. Unser Mitgliedsunternehmen dpi Türdesign in Wesel hatte die Arbeitszeit in einem ganz speziellen Bereich der Produktion testweise von fünfmal acht Stunden auf viermal zehn Stunden pro Woche umgestellt. Die Reaktionen der Beschäftigten waren sehr positiv. Allerdings ist das Unternehmen nach sechs Monaten wieder zurück zur 5- Tage-Woche gewechselt, weil die Fehlerquote zu stark gestiegen war – zurückzuführen wohl auf die anspruchsvollen 10- Stunden-Schichten.
Überhaupt sind innovative Arbeitszeitverteilungen nicht überall machbar. Einfach, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen von einer optimalen Betriebsnutzungszeit abhängt – etwa, weil Anlagen gleichmäßig ausgelastet sein, Lieferungen schnell erfolgen oder Dienstleistungen, etwa im Einzelhandel, zu festen Zeiten erbracht werden müssen.
Da, wo es betrieblich darstellbar ist, wird schon heute mit flexiblen, möglichst auch auf die Bedürfnisse des Einzelnen angepassten Arbeitszeitmodellen gearbeitet. Aber mit Grenzen: Denn was Arbeitgebern und Arbeitnehmern regelmäßig im Weg steht, ist unser starres und mittlerweile 30 Jahre altes Arbeitszeitgesetz. Die Arbeitswelt hat sich stark gewandelt: Homeoffice, mobiles und flexibles Arbeiten sind längst betriebliche Realität. Damit wir die Möglichkeiten dieser Realität in betrieblichen Spitzenzeiten auf der einen und die Vereinbarung von Beruf- und Privatleben auf der anderen Seite weiter flexibel ausdehnen können, brauchen wir ein modernes Arbeitszeitgesetz, das an die Arbeits- und Lebenswelt von heute angepasst ist.
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