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Sozialunternehmen fordern echte Reformen
Sozialwirtschaft im Dialog mit der NRW-Politik: Effizienz statt Mehrkosten
Der Unternehmerverband Soziale Dienste und Bildung hat im Rahmen eines Kamingesprächs mit den sozialpolitischen Sprechern der NRW-Landtagsfraktionen von CDU (Daniel Hagemeier MdL), SPD (Thorsten Klute MdL), GRÜNEN (Jule Wenzel MdL) und FDP (Susanne Schneider MdL) einen dringenden Appell für Reformen in der Sozialwirtschaft formuliert. Hauptthemen in Duisburg waren die dramatisch schlechte Refinanzierung und der eklatante Fachkräftemangel sozialer Dienstleistungen.
Michael Reichelt, Vorstandsvorsitzender des Verbandes, stellte klar: „Es geht uns nicht um mehr Geld. Es geht uns um Reformen im System, damit dieses effizienter wird. Es gibt zu viele Akteure mit zu viel Bürokratie für die Einrichtungen und an vielen Stellen zu wenig Kontrolle zentraler Kostenträger – das muss sich ändern.“
Der Verband warnte eindringlich, dass ohne strukturelle Veränderungen die soziale Versorgung nicht mehr gesichert sei. Der direkte Austausch mit der Politik wird als essenzieller Schritt gesehen, um gemeinsam an konkreten Lösungen zu arbeiten.
Refinanzierung: Politik bestellt, aber bezahlt nicht
Ein zentrales Problem ist die chronische Unterfinanzierung sozialer Dienstleistungen. Die Politik beauftragt die Sozialwirtschaft mit immer neuen Aufgaben, ohne die notwendige Refinanzierung sicherzustellen.
Beispiel Pflegeeinrichtungen: Allein 2023 mussten über 50 stationäre Einrichtungen in NRW Insolvenz anmelden. Ein wesentlicher Grund: Tarifliche Vergütung wird gesetzlich vorgeschrieben, aber nicht vollständig gegenfinanziert. Ebenso leiden Kitas, Behinderteneinrichtungen und soziale Dienste unter einer zunehmenden Bürokratisierung und unklaren Finanzierungsstrukturen.
Der Verband fordert daher:
- Eine verlässliche Refinanzierung aller Personalkosten – damit soziale Träger nicht länger die Kosten zu einem erheblichen Teil selbst übernehmen oder teilweise in Vorleistung treten müssen. Zudem soll der Gesetzgeber nicht gleich eine der teuersten Tarifvergütungen wie die des öffentlichen Dienstes (TVöD) vorschreiben, welche die (öffentlichen) Kostenträger gar nicht bezahlen können. Realistisch ist nur eine auskömmliche Refinanzierung wettbewerbsfähiger Vergütungen, wozu auch passende Tarifverträge zählen.
- Realistische Gesetzesvorgaben, die von den Kostenträgern auskömmlich refinanziert werden können – es zeigt sich derzeit ein Auseinanderfallen von gesetzgeberischen Vorgaben und der Umsetzung durch die staatlichen Organisationen.
- Risikozuschlag auch für die Sozialwirtschaft – bisher gewähren Kostenträger diese in der Praxis nicht, obwohl die Einrichtungen in vollem Wettbewerb stehen und dennoch ihrem sozialen Auftrag gerecht werden müssen.
Fachkräftemangel gefährdet die Versorgung
Die Sozialwirtschaft steht wegen des Personalmangels vor einer existenziellen Krise: Über
133.000 Fachkräfte fehlen bundesweit in Gesundheits- und Sozialberufen, und besonders
Spezialistinnen und Spezialisten sind kaum noch zu finden – 70 Prozent der ausgeschriebenen
Stellen bleiben unbesetzt. „Die Sozialwirtschaft ist das Rückgrat unseres Sozialstaates – doch
wenn wir die Fachkräfteproblematik nicht lösen, wird dieses System instabil“, warnte eine
Teilnehmerin.
Trotz einzelner Fortschritte, etwa bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, sind die
bestehenden Maßnahmen nicht ausreichend. Der Unternehmerverband fordert daher:
- Von „Fokusberufen mit Überhängen“ zu „Fokusberufen mit Engpässen“ wechseln – also die Berufe fördern, die entweder aufgrund der wirtschaftlichen oder demografischen Entwicklung deutlich steigenden Beschäftigungsbedarf und/oder einen hohen Ersatzbedarf verzeichnen. Beschäftigte aus Überhangberufen sind eine entsprechende Zielgruppe.
- Ausbildung und Umschulung refinanzieren – flächendeckende Refinanzierung von Ausbildungen und Umschulungen in allen sozialen Fach- und Assistenzberufen mit ein- bis dreijähriger Ausbildung für die ausbildenden Träger. Außerdem die flächendeckende Aufstockung der Ausbildungsvergütung bei Umschulungen in allen sozialen Fachberufen mit dreijähriger Ausbildungsdauer.
- Übertragung erfolgreicher Regelungen der Pflegeberufe auf andere Berufe der Sozialwirtschaft – Regelungen aus der Pflegebranche sollten in andere Bereiche der Sozialberufe übertragen werden, insbesondere das Umlageverfahren für die Ausbildung. Zudem sind Entbürokratisierung und Digitalisierung des Antragsverfahrens für geförderte Umschulungen und Anerkennungen von Qualifikationen aus dem Ausland wichtig.
Politik zeigt Gesprächsbereitschaft – aber wann folgen Taten?
CDU-Sozialpolitiker Daniel Hagemeier lud die Vertreter des Unternehmerverbandes in verschiedene Arbeitsgruppen des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales ein, um an konkreten Lösungen mitzuarbeiten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßten diese Einladung mit Nachdruck.
Michael Reichelt gab den Politikerinnen und Politikern eine sehr deutliche Botschaft mit auf den Weg: „Wir können im System kurzfristig Milliarden von Euro an Effizienzpotenzialen heben. Die Politik muss nur endlich ins Machen kommen. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems. Wir arbeiten für die Menschen. Das müssen sie wieder spüren. Wenn nicht wirklich reformiert wird, müssen wir Einrichtungen immer öfter aufgeben! Und dann müssen die sozialen Aufgaben, die allesamt Pflichtaufgaben sind, vom Staat erfüllt werden – das wird dann noch teurer, als es jetzt schon ist, und sicher auch nicht besser.“
































Ansprechpartner für die Presse




Jennifer Middelkamp
Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve



