Arbeitszeit: Veraltetes Gesetz hat keine Antworten für die Betriebspraxis

„Arbeitszeit – was geht? Was geht nicht?“ lautete das Thema bei „Arbeitsrecht für die Praxis“, zu dem Unternehmerverband und IHK Nord Westfalen einluden

Kinder und Jugendliche sollen maximal zehn Stunden pro Tag arbeiten dürfen – das war vor knapp 200 Jahren die allererste arbeitszeitliche Regelung in Deutschland. Dagegen scheint das aktuell gültige Arbeitszeitrecht mit seinen 30 Jahren Bestand geradezu jung zu sein. Aber: 1994 hat man noch nicht am Laptop im Zug gearbeitet, abends auf dem Sofa Powerpoint-Präsentationen feingeschliffen oder sonntagabends vom Arbeitgeber per WhatsApp die Uhrzeit des Dienstantritts am nächsten Morgen mitgeteilt bekommen. „Das Arbeitszeitrecht ist so alt, dass es für das Arbeiten von heute keine Lösungen bietet“, sagte Rechtsanwältin Heike Zeitel vom Unternehmerverband bei der Veranstaltung „Arbeitsrecht für die Praxis“ am vergangenen Mittwoch. Dennoch hatte sie gute Tipps und pragmatische Lösungen für die rund 50 Führungskräfte aus Unternehmensleitung und Personalabteilung hiesiger Firmen im Gepäck, die der Einladung von Unternehmerverband und IHK Nord Westfalen gefolgt waren.
Nach sechs Stunden muss man eine Pause machen, die maximale Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt acht Stunden am Tag bzw. 48 Stunden in der Woche, unter bestimmten Voraussetzungen kann bis zu zehn Stunden täglich gearbeitet werden, innerhalb von 24 Stunden muss eine durchgehende Ruhezeit von elf Stunden erfolgen. Das sind die gesetzlichen Fakten. Doch die heutige Arbeitsrealität ist eine andere, nicht nur, weil zu Hause, mobil und digital gearbeitet wird. Zu klären ist auch, was eigentlich zur Arbeitszeit zählt: Arbeitet man schon, wenn man sich vorgeschriebene Arbeitskleidung oder Schutzausrüstung anzieht oder wenn man von zu Hause aus direkt zum ersten Kunden fährt? „Häufig regeln dies Tarifverträge, dann folgen Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Regelungen“, so Zeitel. Der Blick auf Urteile, die Einzelfälle entschieden haben, sei meist wenig hilfreich. „Die Rechtslage bleibt unklar, weil es um den jeweils konkreten Wortlaut der Regelung bei der gerichtlichen Entscheidung geht – und dieser ist häufig mit dem Wortlaut der anwendbaren Regelung im ‚eigenen Betrieb‘ nicht vergleichbar.“
Die Rechtsanwältin vom Unternehmerverband entwirrte auch die Begriffe Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, die häufig fälschlicherweise synonym verwendet werden. Sie unterscheiden sich in Bezug auf Arbeitszeit und Vergütung wesentlich voneinander. Auch die arbeitszeitrechtliche Behandlung von Dienstreisen ist nicht einfach. Bei Dienstreisen, so Zeitel weiter, sind die von Gerichten herangezogenen Begriffe wie ‚Intensitätsgrad der Beanspruchung‘ oder von ‚Zeit frei gestalten mit wenigen Einschränkungen‘“ auslegungsbedürftig.
Die Veranstaltung endete mit Hinweisen zum Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten und einem Blick auf das „Stechuhr-Urteil“: Der EuGH hatte 2019 entschieden, dass Arbeitgeber ein verlässliches Arbeitszeiterfassungssystems haben müssen. Fünf Jahre seien seitdem vergangen und noch immer wisse keiner so recht, was man machen soll und muss, so die Juristin. „Der Reformbedarf beim Arbeitszeitrecht ist enorm. Da ist unter der Ampelregierung nichts vorangegangen. Jetzt müssen wir auf die nächste Legislaturperiode hoffen.“

Die Referentin Heike Zeitel (Mitte) eingerahmt von den Organisatoren von „Arbeitsrecht für die Praxis“ (von links): Martin Jonetzko und Jennifer Middelkamp vom Unternehmerverband sowie Sven Wolf und Christopher Papendorf von der IHK Nord Westfalen. (Foto: IHK)

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