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Unternehmertage und -treffen, Seminare, Arbeitskreise, Business Breaks oder Netzwerkveranstaltungen – die nächsten Termine des Unternehmerverbandes sind hier aufgelistet.
WeiterlesenRessourcen effizienter nutzen, Prozesse effektiver gestalten, soziale Aspekte bei der Belegschaft berücksichtigen… Nachhaltigkeit findet in den Unternehmen auf vielen Ebenen statt. Wie lässt sich das systematisieren? Wo fängt man am besten an?
Tobias Fastenrath: Zunächst sollte jedes Unternehmen für sich klären, was es unter Nachhaltigkeit versteht und welche Spezifika es zu berücksichtigen gilt. Dabei tauchen verschiedene Leitfragen auf, wie: „Welche internen Anforderungen stellen wir uns selber?“ oder „Welche Ressourcen stehen uns eigentlich für das Thema Nachhaltigkeit zur Verfügung?“. Wichtig ist dann, ein Leitbild bzw. Statement zur Nachhaltigkeit zu etablieren. Worte alleine reichen natürlich nicht, dadurch wird keine Organisation nachhaltiger. Es gilt nun die technischen, ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekte der Organisation systematisch zu erfassen, in Einklang zu bringen und deren Soll-Zustände zu definieren. Eine Orientierung können dabei andere (Management-) Systeme bieten, welche die Aspekte messbar machen. Es gilt dann die Nachhaltigkeit immer weiter in die (Neu-) Gestaltung der betrieblichen Prozesse zu integrieren und Antworten auf die Frage „Haben wir auch die Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt?“ zu finden.
Wie profitieren die Mitglieder des Unternehmerverbandes von Ihrer Expertise?
Tobias Fastenrath: „Wir können die interessierten Unternehmen mit maßgeschneiderter Beratung unterstützen. Fast alle Unternehmen sind ja auch schon aktiv. Auftakt für eine solche Beratung können unsere Seminare im HAUS DER UNTERNEHMER sein, welche wir in Kooperation mit unserem Forschungsinstitut, dem ifaa, durchführen. Hier gibt es eine handfeste Vorgehensweise; das Seminar kann auch als Inhouse-Seminar, z. B. in Form von Workshops, gebucht werden. Darüber hinaus können wir in einem Erstgespräch vor Ort den Bedarf besprechen und das Unternehmen kontinuierlich auf dem Weg in die Nachhaltigkeit begleiten. Nachhaltigkeit lässt sich übrigens sehr gut an andere Managementsysteme des Arbeits- und Umweltschutzes und den Prinzipien des Lean Managements (Stichwort: Verschwendungsreduzierung) anknüpfen.
Nun kommen viele unserer Mitglieder traditionell aus der Industrie, aber mehr und mehr sind auch (soziale) Dienstleister darunter. Wie passt das Thema in diese Branchen?
Tobias Fastenrath: „Das Thema Energie ist in der Industrie, das einen wichtigen Aspekt der Nachhaltigkeit darstellt, täglich omnipräsent und für diese Branche sehr herausfordernd. Die ersten Folgen können wir leider bereits erkennen, die ersten Industriebetriebe schließen ihre Pforten durch die hohen Energiepreise in Deutschland. Das Thema drängt also. Von Nachhaltigkeit bleibt niemand „verschont“, so auch unsere sozialen Organisationen nicht, wie Pflegeeinrichtungen, KiTas, Schulen oder die mobile Pflege. Ganz im Gegenteil: Es ist wichtiger denn je. Denken Sie zum Beispiel an die tägliche Wäsche und Reinigung, die erst bei bestimmten Temperaturen die notwendige Hygiene gewährleistet. Oder die Routen durch den Stadtverkehr bei mobilen Pflegedienstleistungen. Neben diesen ökologischen Komponenten ist der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit zu meistern: Gerade in den Hochphasen der Corona-Pandemie wurde allen schlagartig klar, wie wichtig gesunde Beschäftigte in diesem Bereich sind. Daran erkennt man schnell: Der soziale Teil der Nachhaltigkeit steht gleichwertig neben allen anderen Feldern. Anders ausgedrückt: Was nützt mir die saubere Wäsche oder die umweltschonende Route, wenn die Beschäftigten arbeitsunfähig zu Hause sind? Umso mehr gilt es jetzt den sozialen Teil nachhaltig zu sichern, sodass wir auch zukünftig auf diese Beschäftigten zählen können. Das sieht übrigens auch die Bundesregierung so, die sich „Gesundes Leben“ auf die Fahnen geschrieben hat. Die Fachgruppe DV.DAH in unserem Unternehmerverband Soziale Dienste & Bildung konnte hierzu bereits einen entscheidenden Beitrag leisten. Wir haben in einem eigens verhandelten Tarifwerk der Diakonischen Altenhilfe Hessen faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen sichergestellt.
Das ifaa, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V., ist die von den Arbeitgeberverbänden getragene Forschungseinrichtung rund um Themen der Arbeitswirtschaft und -organisation. Ein Beispiel Ihrer Arbeit passt sehr gut: Kürzlich haben Sie die Umfrage „CO2-Bilanzierung – Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in der Unternehmenspraxis“ gemacht. Was war das Ergebnis?
Olaf Eisele: Ein wesentliches Ergebnis der Bestandsaufnahme war, dass eine CO2-Bilanzierung auf betrieblicher Ebene nicht trivial und mit einer Reihe von Schwierigkeiten für Unternehmen verbunden ist. Wie so oft im Leben, steckt der Teufel häufig in der praktischen Umsetzung im Detail. In der Theorie ist eine Ermittlung von CO2-Emissionen auf den ersten Blick einfach. Man benötigt lediglich die Mengen der eingesetzten Energieträger (Kohle, Öl, Gas, Solarstrom, Kernenergie etc.) und einen mathematischen Emissionsfaktor, mit dem der Energieeinsatz in äquivalente CO2-Emissionen umgerechnet werden kann. Nun fordern verschiedene Anspruchsgruppen aus Politik und Gesellschaft jedoch von Unternehmen Berichte zu der CO2-Bilanz im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette und den gesamten Produktlebenszyklus von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung eines Endprodukts. Darin sollen mehr als nur die direkt im Unternehmen verursachten CO2-Emissionen berücksichtigt werden. Vielmehr sollen auch die indirekt in vorgelagerten Wertschöpfungsprozessen bei Lieferanten sowie in nachgelagerten Prozessen bei Kunden verursachten CO2-Emissionen ermittelt und ausgewiesen werden. Eine Ermittlung von CO2-Bilanzen stellt dadurch für Industrieunternehmen mit technisch komplexen Produkten und globalen Wertschöpfungsketten mit einer Vielzahl von vor- und nachgelagerten Geschäftspartnern und Kunden im In- und Ausland eine Herausforderung bei der korrekten Datenermittlung dar. Diese zu bewältigen bedeutet für produzierende Industrieunternehmen zusätzliche bürokratische Belastungen und Kosten. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme wurden vom ifaa in einer Broschüre veröffentlicht, die als kostenfreier Download bezogen werden kann.
Die CO2-Bilanzierung ist nur ein Thema von vielen im Nachhaltigkeitsmanagement. Sie unterstützen ja auch die Arbeitgeberverbände und deren Mitgliedsunternehmen bei der Gestaltung und Umsetzung eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements. Ein solches Nachhaltigkeitsmanagement einzuführen, ist sicher sehr komplex. Was empfehlen Sie beim Umsetzen in die Praxis und gibt es Arbeits- und Handlungshilfen, die dabei helfen?
Olaf Eisele: Je komplexer die Aufgabenstellung, desto wichtiger ist eine gut strukturierte und systematische Vorgehensweise. Im Fachbereich Unternehmensexzellenz erforschen, entwickeln und evaluieren wir Managementkonzepte und -systeme, Methoden sowie praktische Werkzeuge für die Gestaltung einer erfolgreichen Betriebs- und Arbeitsorganisation. Nachhaltigkeit ist per Definition aufgrund der gleichrangigen Beachtung unterschiedlicher Aspekte und Zieldimensionen (Wirtschaft, Umwelt, Soziales, Technik) ein sehr vielschichtiges und komplexes Vorhaben. Je komplexer die Aufgabenstellung, desto wichtiger ist eine gut strukturierte und systematische Vorgehensweise. Am ifaa wurde deshalb ein ganzheitliches Managementkonzept für ein betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement entwickelt. Dieses hilft die Übersicht zu behalten und liefert einen modularen Leitfaden zur anforderungsgerechten Gestaltung und Implementierung in Unternehmen. Das Managementkonzept besteht im Kern aus vier Nachhaltigkeitsaspekten, fünf Anspruchsgruppen, sechs Aufgaben sowie sechs Gestaltungsbausteinen. Für die Umsetzung dieses Konzepts wurden vom ifaa verschiedene (Web-)Seminare sowie Arbeits- und Handlungshilfen erstellt, die kontinuierliche weiterentwickelt werden. Eine Darstellung der aktuellen ifaa-Produkte zur Nachhaltigkeit ist online verfügbar.
Nachhaltigkeit zu managen, heißt, diese systematisch zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu verbessern. Worauf kommt es dabei im Kern an?
Tobias Fastenrath: Zunächst einmal auf den Willen des Managements ein entsprechendes Leitbild und eine strategische Vorgehensweise systematisch ein- und fortzuführen. Halbherzigkeit führt zu keinen oder schlechten Resultaten – wie in anderen betrieblichen Handlungsfeldern auch. Wir erfinden das Rad aber nicht neu, wir verfolgen den Ansatz Nachhaltigkeit in bestehende Prozesse zu integrieren. Wer beispielsweise Shopfloor Management betreibt, kann Nachhaltigkeit ohne großen Aufwand integrieren. Oder: Bei Arbeits- und Umweltschutzmanagementsystemen lässt sich hinterfragen, welche Elemente der Nachhaltigkeit im Allgemeinen und im Speziellen schon vorhanden sind.
Idealerweise erfüllt das Nachhaltigkeitsmanagement nicht nur die gesetzlichen Anforderungen wie beispielsweise das Lieferkettengesetz, die EU-Taxonomie oder die CSR Directive. Wie kann es auch helfen, die komplexen Herausforderungen der Zukunft zu meistern?
Olaf Eisele: Damit ein Nachhaltigkeitsmanagement mehr als nur bürokratischer Aufwand zur Erfüllung rechtlicher Vorschriften ist, muss es die betriebsspezifischen Rahmenbedingungen, Ziele und eigenen Anforderungen abbilden. Das erfordert eine individuelle Gestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements mit betrieblichen Akteuren. Wichtig ist zudem, sich auf das Wesentliche und Machbare zu konzentrieren. Ein Nachhaltigkeitsmanagement hilft nicht per se die komplexen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Es kommt auch hier auf die Qualität des gewählten Managementkonzepts sowie die konkrete Realisierung einzelner Elemente an. Jedes Konzept ist am Ende immer nur so gut, wie es praktisch von betrieblichen Aktteuren im Detail umgesetzt und gelebt wird.
Ihr Resümee: Warum ist es für Unternehmen genau jetzt so wichtig, das Thema Nachhaltigkeitsmanagement anzugehen?
Olaf Eisele: Durch eine Vielzahl politischer Initiativen und Gesetzesvorhaben werden Unternehmen in absehbarer Zeit faktisch zum Aufbau eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements verpflichtet. Zu nennen ist hier beispielsweise die Corporate Sustainability Reporting Derictive (CSRD) der Europäischen Union mit weitreichenden Auswirkungen auf alle großen und indirekt auch auf viele kleine und mittlere Unternehmen. Die Berichtspflichten setzen die Existenz eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements voraus, über das dann berichtet werden soll. Aufgrund des politischen Zeitdrucks bleibt Unternehmen nicht mehr viel Zeit die neuen rechtlichen Anforderungen vollumfänglich zu erfüllen. Die CSRD sollte ursprünglich bereits in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt werden. Sie wurde aufgrund von Problemen bei der Detaillierung nochmal um ein Jahr verschoben. Aber aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Die durch die Fristverschiebung gewonnene Zeit sollte von Unternehmen genutzt werden. Am Beispiel CO2-Bilanzierung wurde bereits deutlich, dass die Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen nicht trivial ist. Dies gilt für die kommenden, noch umfassendere Nachhaltigkeitsanforderungen der EU erst recht. Aufgrund der Komplexität und dem damit verbundenen Zeit- und Ressourcenbedarf, sollten Unternehmen deshalb so früh wie möglich das Thema Nachhaltigkeitsmanagement angehen.
Tobias Fastenrath: Das Thema bietet eine gute Chance, jede Organisation systematisch zu durchleuchten und Schwachstellen aufzudecken. Kaum ein anderes Thema erfasst die Unternehmen und ihre Partner so tiefgehend wie Nachhaltigkeit. Wer’s richtig angeht, trägt zum zur Ressourcenschonung bei, das erzeugt auch in der Belegschaft ein Wir-Gefühl – insbesondere, wenn man die Beschäftigten partizipieren lässt. Womit auch wieder die soziale Nachhaltigkeit gestärkt wird. Man merkt schnell: Nachhaltigkeit bewegt sich in einem Zyklus, die einzelnen Aspekte greifen ineinander. Darüber hinaus steigert es auch das Image des Unternehmens. Nachhaltiges Wirtschaften wird auch für künftige Fachkräfte eine Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers sein.
Das Interview erschien in der Verbandszeitung [unternehmen!], Ausgabe 2/2023, im November 2023 und wurde geführt von Jennifer Middelkamp
www.unternehmerverband.org/leistungen/arbeitswirtschaft
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