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Unternehmertage und -treffen, Seminare, Arbeitskreise, Business Breaks oder Netzwerkveranstaltungen – die nächsten Termine des Unternehmerverbandes sind hier aufgelistet.
WeiterlesenUmwelt, Klima, Energie, Ressourcen, zirkuläre Wirtschaft – die Megathemen unserer Zeit haben die gemeinsame Überschrift „Nachhaltigkeit“. Sie strahlt auf Produkte, Prozesse und Personal gleichermaßen
aus. Produkte und Dienstleistungen müssen entsprechende Anforderungen erfüllen und lassen sich mit diesem Label meist besser verkaufen. Prozesse in Unternehmen müssen verändert werden, um Ressourcen und Kosten zu sparen. Und nicht zuletzt tritt gerade eine Generation in den Arbeitsmarkt ein, die sich mehr denn je für eine enkelfähige (Klima-)Zukunft verantwortlich fühlt. 81 Prozent der 20- bis 29-Jährigen in Deutschland ist die Haltung des potenziellen Arbeitgebers zum Klima ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen einen Job.
Wie genau unsere Mitgliedsunternehmen das Thema Nachhaltigkeit bei sich gestalten und davon profitieren, stellen wir ab der Ausgabe 1/2023 in der neuen Serie „Nachhaltig“ vor.
[u!]:Alle reden über Klimaschutz. Sie auch?
Carsten Sühling: „Angesichts von Dürren, Waldbränden, Hoch- und Niedrigwasser, also all den weltweiten Naturkatastrophen: Ja, natürlich! Der menschengemachte Klimawandel fördert Naturkatastrophen und
diese sind Wohlstandsvernichter und bedrohen in zunehmendem Maße die Zukunft unserer Kinder.“
[u!]:Welche Lösungen haben Sie?
Carsten Sühling: „Die heutige Spaleck-Gruppe wurde 1869 als Schlosserei gegründet. Während der Industrialisierung der Textilbranche verdienten wir unser Geld mit Maschinen für diese Branche – und haben dabei natürlich auch unseren ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Wir waren und sind also Teil des Problems. In den 1990er-Jahren kam unser Wendepunkt: Wir wollten nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein. Und dabei sind wir auf einem guten Weg: Wir stellen heute ausschließlich Produkte her, die Mensch und Umwelt nützen, so genannte Greentech-Produkte. Das sind Maschinen und Anlagen etwa im Bereich Recycling, Abwasseraufbereitung, Bahn, Windkraft oder Wasserstoff.“
[u!]:Wo außer bei den Produkten zählt Nachhaltigkeit noch bei Ihnen?
Carsten Sühling: „Bei unseren Prozessen und bei der Haltung. Wir sind nach Umweltmanagement, ISO 14001, zertifiziert. Unseren CO2- Fußabdruck haben wir trotz eines starken Wachstums in den vergangenen fünf Jahren um 60 Prozent reduzieren können, Grünstrom erzeugen wir über viele kleine Maßnahmen, ein Baustein dafür sind 490 kWp Photovoltaik inklusive Dachbegrünung auf unseren Hallendächern. Dann haben wir in Gebäudetechnik und Produktionsanlagen investiert, um weniger Ressourcen zu verbrauchen, regenerative Energiequellen zu nutzen oder umweltfreundliche Verfahren einzuführen. Auch hier geht es mir um ein neues Bewusstsein: Das fängt bei Recyclingpapier im Büro an, geht über weniger dienstliche Flüge und reicht bis hin zu 100 Prozent LED-Beleuchtung. Das sind ganz viele kleine Maßnahmen, die in der Summe aber einen Unterschied machen.“
[u!]:Und inwieweit bei der Haltung?
Carsten Sühling: „Bei der Haltung gegenüber bzw. von unseren Beschäftigten. Wir wollen erreichen, dass sie stolz sind, hier mitzuarbeiten. Dazu gehört zum Beispiel, gemeinsam die gerade genannten Prozesse zu optimieren. Oder Verbesserungen aktiv anzustoßen und mitzugestalten: So gärtnern unsere Beschäftigten auch schon mal selbst auf unserem Grundstück, um bienenfreundliche Grünoasen mit Nisthilfen zu schaffen.Oder wir begeben uns auf einen Natur- und Umwelttag, um zu verstehen, wie in unserer Heimat Kulturlandschaften mit großer Artenvielfalt entstehen. Aus unserem Team heraus ist auch der Wunsch entstanden, einen Nachhaltigkeitszirkel zu gründen. Hier werden ganz viele Ideen gesammelt und angegangen.“
[u!]: Muss man sich als UnternehmenNachhaltigkeit „leisten“ können?
Carsten Sühling: „Überhaupt gar nicht, denn die meisten Maßnahmen in Nachhaltigkeit rechnen sich ganz schnell. Ich sehe die ökologische Transformation der Wirtschaft als große Chance für die regionale Wirtschaft, nicht als Risiko. Wir sehen ja im Moment: Ein Lösungs- oder Handlungsdruck befeuert Innovationen und bringt neue Märkte und Geschäftsmodelle. Und das Bewusstsein verändert sich: Heute vergeben die Kunden ihre Aufträge nicht mehr nur nach dem Preis, sondern auch nach dem CO2-Fußabdruck; dieses Thema wird sich noch deutlich verstärken. Wer nicht mitmacht und sich rechtzeitig dafür positioniert, wird zukünftig Probleme bekommen.“
[u!]:Ein eher ungewöhnlicher Schrittist eine Kooperation mit dem NABU. Industrie und Umweltschutz – geht das überhaupt zusammen?
Carsten Sühling: „Absolut! Genau dieses Zeichen wollen wir setzen! Uns geht es z. B. um gemeinsame Projekte für Biodiversität an unserem Standort, aber auch um Umweltbildung für unsere Mitarbeitenden.
Seit ich zehn Jahre alt bin, bin ich Mitglied im NABU. Das Umweltbewusstsein mit dem Unternehmersein zu verbinden, macht mir richtig Spaß. Und ich bin der festen Überzeugung, dass auch der Naturschutz nur etwas erreichen kann, wenn er gemeinsame Wege mit Industrie und Landwirtschaft geht.“
Bringt eine nachhaltige Unternehmensführungalso klare Wettbewerbsvorteile? Ein deutliches Ja mit einer eindrucksvollen Auflistung liefert ein Mitgliedsunternehmen unseres Unternehmerverbandes aus Bocholt, die SPALECK GmbH & Co. KG. Ihr Geschäftsführer Carsten Sühling verrät im Interview: „Wir wachsen schnell in interessanten Zukunftsbranchen, das ist eine gute Perspektive. Wir sind auf aktuelle Entwicklungen wie Klimaneutralität oder Dekarbonisierung gut vorbereitet. Wir reduzieren unsere Betriebskosten deutlich! Wir verbessern unseren Wohlfühlfaktor – ein grünes Gewerbegebiet ist einfach schöner als ein graues. Wir stärken unsere Marke als Arbeitgeber, weil wir für Sinnhaftigkeit stehen. Und wir denken an die zukünftigen Generationen – das hilft uns beim Binden und Finden von Fachkräften, aber hilft natürlich auch den zukünftigen Generationen der Gesellschafterfamilie.“
Generationenfrage
Wie genau unsere Mitgliedsunternehmen das Thema Nachhaltigkeit bei sich gestalten und davon profitieren, stellen wir ab dieser Ausgabe in der neuen Serie „Nachhaltig“ vor. Neben dem oben erwähnten Interview mit dem Geschäftsführer des Bocholter Maschinenbauers geht es in dieser Ausgabe unter anderem um energiesparende Produkte für die Inneneinrichtung, ressourcenschonende Fuhrparks, Klimabewusstsein vor Ort sowie um Transformation. Bei letzterem kann die PROBAT AG aus Emmerich auf eine lange Tradition blicken. Geschäftsführer Wim Abbing sagt im Interview mit [unternehmen!]: „PROBAT wurde in der 1. Industriellen Revolution gegründet und wir haben in diesen 150 Jahren einige Veränderungen erlebt und gestaltet. Die nächsten zehn Jahre werden entscheiden, ob und wie wir PROBAT in die Hände der 5. Generation legen. Der Anbau von Kaffee wird existenziell vom Klimawandel bedroht. Wir beteiligen uns daher an der Entwicklung neuer, resistenter Kaffeepflanzen und haben verstanden, dass es unsere Aufgabe ist, mit nachhaltigen Produkten die Transformation der Kaffee- Wertschöpfungskette zu sichern und zu gestalten.“
Vor Ort und konkret
Auch in der Industrie – neben Verkehr und Gebäuden – gibt es wichtige Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit. Wie Wirtschaft bei uns hier vor Ort ganz konkret gestaltet werden kann, um im Einklang mit der Umwelt zu stehen, aber zugleich wirtschaftlich effizient und sozial verträglich zu sein, wollen wir mit der neuen Serie „Nachhaltig“ aufzeigen.
[u!]: Ihre Marke Winergy hat die Wind-Energie ja schon im Namen, Flender stellt u. a. Antriebssysteme für Windkraftanlagen her. Da kann man getrost sagen: Nachhaltigkeit ist die DNA Ihres Unternehmens, oder?
Andreas Evertz: Wir sind der Partner für eine nachhaltige Zukunft. Das heißt, wir arbeiten eng mit unseren Kunden, Lieferanten und allen Stakeholdern daran, die industrielle Produktion immer energieeffizienter und ressourcenschonender zu gestalten. Gleichzeitig wollen wir für unsere Kunden natürlich optimale Wertschöpfung gewährleisten. Nachhaltigkeit ist also ein sehr wichtiges Thema für uns, aber nicht nur im Wind-Bereich.
[u!]: Welche Flender-Produkte sorgen dafür, dass die Energiewende gelingt?
Andreas Evertz: Tatsächlich tragen wir mit einem breiten Spektrum an Lösungen zur Förderung der Energiewende bei. Dazu gehören unsere Antriebe für Windkraftanlagen. Unser Unternehmen ist mit ca. 60 Prozent des Umsatzes stark im Bereich der Windkraftgetriebe tätig. Unsere installierte Leistung von 350 Gigawatt in der Windindustrie ist eine beeindruckende Zahl. Sie reicht aus, um 268 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen oder 135 Millionen Elektroautos ein Jahr lang um die Welt fahren zu lassen. Aktuell finden Sie in fast jedem dritten Windrad auf der Welt eine Antriebskomponente von Flender. Aber ich betone immer wieder, dass die Energiewende ohne industrielle Produktion nicht gelingen kann. Bleiben wir bei der Windenergie. Für ein Windrad werden viele Industrieprodukte wie Zement, Stahl oder Verbundstoffe benötigt. Auch in diesen Branchen sorgen wir mit unseren Antriebslösungen dafür, dass unsere Kunden ihre Produktion immer energieeffizienter gestalten können. Eine große Rolle spielen dabei digitale Intelligenz und Sensorik. Unsere Sensortechnologie AIQ macht Getriebe smart, indem sie Getriebedaten während des Betriebs aufnimmt und analysiert. Mit diesen Daten können unsere Kunden ihre Produktionsprozesse optimieren. Uns helfen die Daten dabei, Getriebe noch genauer auf die Anforderungen beim Kunden anzupassen. In vielen Fällen können so Rohstoffe wie Stahl und Öl gespart werden.
[u!]: Neben den Produkten zählt Nachhaltigkeit auch in den Prozessen, z. B. beim CO2-Fußabdruck Ihres Unternehmens. Was sind Ihre Ziele und wie erreichen Sie diese?
Andreas Evertz: Unser Ziel ist es im Jahr 2030 in unseren eigenen Betrieben und Anlagen komplett CO2 neutral zu agieren. Dafür haben wir ein sehr umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Diese berücksichtigen z.B. den Bezug von grüner Energie, die Nutzung von Energiespeichern und Energieeffizienzsteigerungen in unserer Produktion. Mit diesen Maßnahmen konnten wir unsere Emissionen schon jetzt um 79 Prozent senken. Entscheidend ist, das Thema Nachhaltigkeit und CSR fest in der Unternehmensstrategie zu verankern. Das führt zu klaren Verantwortlichkeiten und wir merken wie unsere Mitarbeitenden sich mit den Zielen identifizieren und mit großem Engagement daran mitarbeiten.
[u!]: Flenders Engagement in Sachen Nachhaltigkeit wird honoriert. Das EcoVadis-Nachhaltigkeitsrating zählt Sie zu den besten fünf Prozent der nachhaltigsten Unternehmen weltweit. Gerade erst sind Sie mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024 ausgezeichnet worden. Wie stolz sind Sie darauf?
Andreas Evertz: Solche Auszeichnungen freuen uns natürlich, weil sie die Bestätigung sind, dass wir auf einem guten Weg sind. Denn wichtig sind nicht die Auszeichnungen, sondern dass wir unsere Ziele erreichen. Als Industrie müssen wir vorweg gehen, um die globalen Klimaziele zu erreichen.
[u!]: Die nachhaltige Firmenphilosophie spiegelt sich auch in weiteren CSR-Projekten wider…
Andreas Evertz: Da kommt das angesprochene Engagement unserer Mitarbeitenden zum Tragen. Ob Fußball-Wohltätigkeitsturnier in Bocholt, „Green Oasis“ Baumspenden in Serbien oder Stipendien-Programme in Indien. Da passiert sehr viel, worauf ich sehr stolz bin.
[u!]: Auf Themen wie Klimaschutz, Umweltbewusstsein und Energiewende setzt die so genannte Generation Z – die zugleich Ihre potenziellen neuen Nachwuchskräfte sind. Wie präsent sind diese Themen in Bewerbungsprozessen?
Andreas Evertz: Wir merken das in Bewerbungsgesprächen und bei unseren Auszubildenden und Studenten. Ihnen sind diese Themen wichtig und das ist gut so. Ich glaube, dass wir daher auch ein interessanter Arbeitgeber für viele junge Leute sind. Es gibt wenige Unternehmen, die so sehr im Zentrum der Energiewende und der industriellen Transformation agieren wie wir. Das zeigen auch die Besuche von hochrangigen Politikerinnen und Politikern wie Robert Habeck, Annalena Baerbock und Hendrik Wüst in diesem Jahr.
[u!]:Ihr Enthusiasmus ist ansteckend…
Carsten Sühling: „Das ist ein schönes Kompliment, danke! Aber das Thema ist einfach toll und spannend. Nach einem Vortrag in der Nachbarstadt Rhede kam ein dortiger Landwirt auf mich zu. Gemeinsam haben
wir dann eine ehemals landwirtschaftliche Fläche in eine Naturwiese verwandelt. Das war ein tolles Signal und zeigt, dass wir alle uns hier für unsere Heimat verantwortlichfühlen und den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Region mit einer zumindest einigermaßen erhaltenen Umwelt hinterlassen möchten.“
[u!]: Welche (messbaren) Ergebnisse hat denn diese nachhaltige Firmenphilosophie?
Carsten Sühling: „Ich sehe einige: Wir wachsen schnell in interessanten Zukunftsbranchen, das ist eine gute Perspektive. Wir sind auf aktuelle Entwicklungen wie Klimaneutralität oder Dekarbonisierung gut vorbereitet. Wir reduzieren unsere Betriebskosten deutlich! Wir verbessern unseren Wohlfühlfaktor – ein grünes Gewerbegebiet ist einfach schöner als ein graues. Wir stärken unsere Marke als Arbeitgeber, weil wir für Sinnhaftigkeit stehen. Und wir denken an die zukünftigen Generationen – das hilft beim Binden und Finden von Fachkräften, aber hilft natürlich auch den zukünftigen Generationen der Gesellschafterfamilie.“
[u!]:Zu schön, um wahr zu sein…
Carsten Sühling: „Finden Sie? Ein nachhaltiges und vor allem ökologisch verträgliches Wirtschaften steht einer wirtschaftlich guten Entwicklung nicht entgegen, sondern ist unbedingte Voraussetzung! Davon bin ich felsenfest überzeugt. Für das Morgen ist jeder verantwortlich, erst recht die Unternehmerinnen und Unternehmer. Wir tragen eine besondere Verantwortung und müssen uns unsere gesellschaftliche Legitimation immer wieder neu erarbeiten.
[u!]:Apropos morgen: Was ist Ihre Vision?
Carsten Sühling:„Wir schaffen unser Unternehmenswachstum im Einklang mit der Natur und mit der Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dass eine nachhaltige Unternehmensführung klare Wettbewerbsvorteile bringt – bei der Akzeptanz, bei der Innovation und in den Märkten.“
Das Interview erschien in der Verbandszeitung [unternehmen!], Ausgabe 1/2023, im März 2023.
Autorin und Interview:
Jennifer Middelkamp
[u!]: Apropos Nachwuchs: Flender ist an seinem Stammsitz in Bocholt Hauptsponsor des neuen Studiengangs „Sustainable Engineering and Management“ an der Westfälischen Hochschule. Warum brauchen Sie diese Absolventen?
Andreas Evertz: Es ist nicht der einzige neue Studiengang, auf den wir setzen. Im September sind auch die ersten „Data Science“-Studierenden bei uns gestartet. Beide Themen sind für uns essenziell. Wir setzen heute schon in der Produktentwicklung in vielen anderen Bereich auf KI und maschinelles Lernen. Dafür brauchen wir Expertinnen und Experten. Und wenn man, wie wir, Nachhaltigkeit als wichtigen Teil seiner Unternehmensstrategie lebt, dann braucht man auch hier gute Leute, die das Thema ganzheitlich verstehen und angehen.
[u!]: Was man gemeinsam an frischen Ideen entwickeln kann, zeigt eine nachhaltige Verpackung, die Flender mit einem Lieferanten an den Start gebracht hat: ein umweltfreundliches Mehrweg-Verpackungssystem für Großlager. Nachhaltigkeit ist also auch ein starker Innovationstreiber. Was haben wir von Flender da in den nächsten Jahren zu erwarten?
Andreas Evertz: Bei unseren Innovationen achten wir darauf, dass unsere Produkte möglichst ressourcenschonend, effizient und zuverlässig sind. Unser neu entwickelter Hybrid-Drive kommt z.B. mit ca. 90 Prozent weniger Kupfer und Seltenen Erden aus als andere Antriebsarten. Das ist ein entscheidender Aspekt für den zukünftigen Ausbau der Windenergie. Denn diese für die Energiewende benötigten Rohstoffe sind nur begrenzt verfügbar. Gleiches gilt für unsere neue Standard-Getriebereihe FLENDER ONE im Industriegeschäft. Wir haben das einstufige FLENDER ONE im April auf der Hannover Messe sehr erfolgreich vorgestellt. Im nächsten Jahr folgen die mehrstufigen Modelle. Wir werden zukünftig Getriebe maßgeschneidert auf die jeweilige Anwendung und die damit verknüpften Anforderungen konfigurieren können. Für unsere Kunden bedeutet das maximale Individualität und trotzdem schnelle Lieferzeiten und geringe Kosten. Möglich macht das ein echter Meilenstein in der Getriebefertigung: die vollständige Digitalisierung des Engineering-Prozesses. Er stößt die Konstruktion exakt nach Kundenanforderung an und übersetzt sie in einen voll-automatisierten Fertigungs- und Lieferprozess.
[u!]: Sie haben in den vergangenen zwei Jahren Ihre Windenergie-Produktionskapazitäten in Westaustralien, China und Indien erweitert. Müssen wir uns Sorgen machen, dass Investitionen in Windkraft nur im Ausland erfolgen?
Andreas Evertz: Nein, denn das tun sie nicht. Wir haben zuletzt massiv in unseren Standort in Voerde investiert und ihn ebenfalls durch Hallenneubauten erweitert. Gleiches passiert gerade an unserem Standort in Penig bei Chemnitz. Flender ist und bleibt stark in Deutschland verwurzelt. Als internationales Unternehmen sind wir besonders erfolgreich, da wir durch unsere globale Aufstellung nah am Kunden agieren.
[u!]: In Voerde haben Sie den Standort mit neuen Logistik- und Lagerflächen für Großkomponenten erweitert. Hier schließt sich der Nachhaltigkeits-Kreis, denn dadurch reduzieren Sie mit optimierten Transportwegen CO2-Emissionen.
Andreas Evertz: Wir sind in Voerde an unsere Kapazitätsgrenzen gelangt. Windräder und damit auch die Getriebe und Antriebssysteme wachsen kontinuierlich an Größe und Gewicht und der Bedarf wird in den kommenden Jahren massiv steigen. Mit den neuen Lagerflächen gestalten wir unsere Logistikprozesse nachhaltig und reduzieren so einen erheblichen Teil der bisherigen Transportwege und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Zuvor dezentral gelagerte Komponenten können nun zentral gelagert und mit optimierten Transportwegen schneller für die Montage bereitgestellt werden. Die Energie für die Großteilewaschmaschine kommt über Fernwärme. Die Getriebeteile können durch die kurzen Materialwege von der LKW-Entladung bis in die Großgetriebemontage überdacht über eine separate Schleuse transportiert werden. Dadurch kühlt die Halle nicht aus und wir sparen wertvolle Energie. Zudem werden wir das gesamte Dach der neuen Halle noch mit Photovoltaikmodulen ausstatten. Da die Wind-Komponenten bald Größen annehmen, die wir nicht mehr auf der Straße transportieren können, sind wir auch auf der Suche nach einem zusätzlichen Fertigungsstandort am Wasser hier in Europa.
Das Interview führte Jennifer Middelkamp. Es erschien in der [unternehmen!]-Ausgabe 2/2023 im November 2023.
Nachhaltiges Denken wird immer bedeutungsvoller. Zahlreiche Unternehmen erfüllen bereits ihre Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft und setzen auf alternative Energien, Recycling, Müllvermeidung und umweltschonende Verfahren. Auch in der Einrichtungsbranche findet das Prinzip Einzug – wie beim Duisburger Mitglied des Unternehmerverbandes Raumdesign Dommers:
Bodenbeläge aus Kork, Teppiche aus Ziegenhaar, Tapeten aus schadstofffreien Rohstoffen – unter dem Oberbegriff „Dommers Green“ ist die Produktpalette zur ökologischen Raumausstattung zusammengefasst. [unternehmen!] begab sich auf die „Grüne Straße“ im Einrichtungshaus und sprach mit Nina und Peter Dommers über das Thema Nachhaltigkeit und wie bei der Raumgestaltung
Energie gespart werden kann.
[u!]:Warum setzen Sie immer stärker auf ökologisch unbedenkliche Produkte? Aus einem eigenen Verantwortungsgefühl heraus?
Nina Dommers: Nachhaltig produzierte Produkte sind in der Raumausstattungsbranche nicht neu, aber sie stehen unserer Meinung nach zu wenig im Fokus. Ich hatte schon länger den Wunsch, diese Produkte stärker ins Rampenlicht zu rücken, um unserer Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft gerecht zu werden. Bei Beratungen weisen wir auf die Produkte hin und empfehlen
sie. Sie sind für die Kunden aber einfach noch zu wenig präsent. Deshalb werden Sie in unserem Einrichtungsgeschäft nun speziell in extra „grünen“ Bereichen beworben. Da Qualität und auch Preis überzeugen, wollen wir den Anteil dieser Produkte in unserem Einrichtungshaus stetig erhöhen. Hinzu kommt die Möglichkeit, mit gut geplanter Raumausstattung seinen Energieverbrauch zu senken.
[u!]:Es können also Heizkosten gespart werden?
Peter Dommers: Rund 70 Prozent der Energiekosten werden für das Heizen verbraucht. Mit den richtigen Wohntextilien bleibt es länger warm. Zu nennen wäre hier beispielsweise der nachhaltige Korkboden – ein ökologisch unschlagbares Material, da nachwachsend. Ein Korkboden hat auch an kalten Tagen immer die optimale Bodentemperatur. Kork hat eine isolierende Wirkung und nimmt die
Wärme seiner Umgebung auf. Die wabenförmige Struktur von Kork speichert diese Wärmeenergie, sodass weniger geheizt werden muss. Bei Gardinen kann auf Thermostoffe gesetzt werden. Auch Wabenplissees sind wahre Energiesparwunder. Die in den Waben gespeicherte Raumluft sorgt für ein großes, isolierendes Luftpolster direkt am Fenster. Das erschwert den Abfluss der warmen Luft
aus dem Zimmer. Hinzu kommt eine Wandgestaltung mit Thermovliestapete, Reflexionsfolie hinter dem Heizkörper oder energiesparender Wandfarbe mit Thermogrundierung – damit kann die Energieeffizienz zu Hause deutlich verbessert werden.
[u!]:Tapeten aus Papier, Vorhänge aus Baumwolle – beides sind ja schon lange bekannte Materialien, die bereits nachwachsend sind. Welche neuen, besonders nachhaltigen oder schadstofffreien Rohstoffe finden sich heute im Sortiment?
Nina Dommers: Beispielsweise kompostierbare Synthetikfasern aus denen Vorhänge und Gardinen aber auch Tapeten und Polstermöbel gefertigt werden. Weltweit zählen Textilien zu einem der wichtigsten Verbrauchsgüter. Möchte man im Produktkreislauf keinen Abfall im herkömmlichen Sinn entstehen lassen, müssen Produkte wieder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können,
das hilft beispielsweise bei der Vermeidung von Mikroplastik. Wir haben Textilien mit dem OceanSafe- Qualitätssiegel im Sortiment. Sie sind immer kreislauffähig, biologisch abbaubar und Toxin-frei. Spezielle Produkt-Rücknahmesysteme sorgen dafür, den Kreislauf zu schließen.
[u!]:Ist es für ein Unternehmen auch wichtig, sich nachhaltig aufzustellen, um Fachkräfte zu gewinnen?
Nina Dommers: Das ist sicherlich ein Aspekt. Die Generation der heutigen Bewerberinnen und Bewerber hat andere Ansprüche an den Arbeitgeber. Nicht mehr nur das Gehalt, Arbeitszeiten und Urlaubstage. Sondern Familienfreundlichkeit, Work-Life-Balance und eben auch das Gefühl, bei einem Arbeitgeber zu sein, der seinen Teil zum Umweltschutz beiträgt. Wir suchen zurzeit Fachkräfte in allen Bereichen und hoffen, auch damit zu überzeugen.
[u!]:Sie setzen nicht nur auf nachhaltige Produkte, sondern leben diesen Gedanken auch selbst – wie sieht das aus?
Peter Dommers: Wir betreiben ein Blockheizkraftwerk und stellen damit Wärme und Strom für unser Einrichtungshaus autark bereit. Darüber hinaus haben wir eine Photovoltaik- Anlage auf dem Dach und fahren Elektro-Autos.
Das Interview erschien in der Verbandszeitung [unternehmen!], Ausgabe 1/2023, im März 2023.
Das Interview führte
Geraldine Klan
[u!]:Bis 2030 will PROBAT einen Netto- Null-Klimaplan umsetzen, gerade haben Sie einen Ladenröster vorgestellt, der wasserstoffbetrieben ist (s. Ausgabe 3/2022). Was sind Ihre Motive?
Wim Abbing: „PROBAT wurde in der 1. Industriellen Revolution gegründet und wir haben in diesen 150 Jahren einige Veränderungen erlebt und gestaltet. Die nächsten zehn Jahre werden entscheiden, ob und wie wir PROBAT in die Hände der 5. Generation legen. Der Anbau von Kaffee wird existenziell vom Klimawandel bedroht. Wir beteiligen uns daher an der Entwicklung neuer, resistenter Kaffeepflanzen und haben verstanden,
dass es unsere Aufgabe ist, mit nachhaltigen Produkten die Transformation der Kaffee-Wertschöpfungskette zu sichern und zu gestalten. Dabei ist es für uns selbstverständlich, dass wir an unseren Standorten die Netto-Null anstreben.“
[u!]:Und wer treibt Sie an? Ihre Kunden, die Politik, Ihre Beschäftigten, Ihre Firmenphilosophie…?
Wim Abbing:„Ich würde mir eine breite gemeinsame Initiative für die Umgestaltung unserer Wirtschaftssysteme wünschen. Aktuell führt nachhaltiges Handeln durch längere Payback-Perioden für die wirtschaftlich
Verantwortlichen vielfach zu (kurzfristigen) ökonomischen Nachteilen im Quartalsabschluss, Aktienkurs oder persönlicher Zielerfüllung.
Daher benötigen wir dringend eine zielführende CO2-Bepreisung. Umweltschutz muss sich ‚rechnen‘.“
[u!]:Ist Nachhaltigkeit Chance oder Risiko für unseren Industrie-Standort?
Wim Abbing:„Deutschland ist darauf angewiesen, dass die individuell verantwortlichen Personen – mit einer gemeinsamen mittel- bis langfristigen Vision ausgestattet – sinnvoll, abgestimmt und schnell handeln. Dann kann trotz der notwendigen Dekarbonisierung unserer Industrie der Standort erhalten und weiterentwickelt werden. Dies sollte gelingen, wenn die Regierungen in Bund und Ländern aus gestaltungswilligen Politikern statt aus Verwaltungsfachangestellten bestehen.“
Das Interview erschien in der Verbandszeitung [unternehmen!], Ausgabe 1/2023, im März 2023.
Die Fragen stellte
Jennifer Middelkamp
[unternehmen!]: Nachhaltigkeit ist grün – das ist immer die erste Assoziation bei diesem Thema. Aber die soziale Komponente, also der Blick auf die Menschen, in Unternehmen auf die Beschäftigten, zählt genauso dazu. Was heißt für Sie bzw. in Ihrem Unternehmen, sozial nachhaltig zu sein?
Elisa Messerschmidt: Soziale Nachhaltigkeit stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Im Kern geht es darum die Arbeitswelt an die aktuellen und zukünftigen Sozialen Chancen und Herausforderungen anzupassen. Chancengerechtigkeit und Menschenrechte sind dabei wesentliche Grundwerte. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist es sinnvoll für Unternehmen, ihr Arbeitskultur, Organisation und Prozesse so (um-)zugestalten, dass sie alle Potenziale und Bedürfnisse ihrer jetzigen und zukünftigen Mitarbeiterinnen sehen und wertschätzen. Dazu zählt eine lebensphasenorientierte Personalpolitik ebenso wie ein gutes Gesundheitsmanagement, der gerechte Zugang zu Sozialleistungen und Mitbestimmungsgremien im Unternehmen und die Umsetzung eines strukturiertes Diversity Managements. Die Unternehmen konkurrieren heute auf vielen Märkten zugleich. Ihre unterschiedlichen Stakeholder, wie Kund:innen, Lieferant:innen, Investor:innen und Arbeitnehmer:innen, fordern immer stärker die Übernahme von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Sich hier gut aufzustellen ist nicht nur zielführend für die nicht finanzielle Berichterstattung, sondern fördert auch die Attraktivität als Arbeitgeber.
[unternehmen!]: In jedem Unternehmen gibt es, vielleicht ohne sie explizit so zu nennen, sozial nachhaltige Maßnahmen. Keiner wird bei Null anfangen… Aber welche einfach umsetzbaren Maßnahmen eigenen sich für den Einstieg?
Elisa Messerschmidt: Wichtig ist, dass Unternehmen ergebnisorientiert die notwendigen Themen angehen. Ziellose Diskussionen bringen niemanden etwas. Es braucht messbare Ziele, strategische Konzepte und die effektive Einbindung der Belegschaft, vom Top-Management bis zu den Auszubildenden.
Ein erster Schritt ist dabei zu sehen, wo das Unternehmen aktuell steht und welche Themen wesentlich sind. Kein Unternehmen fängt auf einem weißen Blattpapier an. In meiner Beratungstätigkeit erlebe ich immer häufiger, dass Themen wie Umgang mit Generationenvielfalt, Gestaltung und Förderung von kultureller Vielfalt an Relevanz zunehmen. Für wirtschaftlich agierende Unternehmen spielt dabei selbstverständlich auch die Profitabilität eine wesentliche Rolle. In diesem Sinne geht es immer auch darum produktiv zu bleiben, Innovationskraft zu fördern und Mitarbeitenden zu gewinnen und zu halten. Ich schaue daher mit den Unternehmen gezielt auf die Potenziale, die da sind – z.B. den Mehrwert von vier aktiven Generationen im Unternehmen. Das ist ein echter Mehrwert für die oben genannten Themen. Es erfordert allerdings eine Unternehmens- und Führungskultur, die hieraus Möglichkeiten für Neues entfaltet und Konflikte konstruktiv managet.
[unternehmen!]: Diversity ist eine zentrale Säule für soziale Nachhaltigkeit. Haben Sie Tipps?
Elisa Messerschmidt: Sehen Sie Diversity-Management nicht als „on top“, sondern als Synergiethema: Es ergibt Chancen, bereichert das Employer Branding, verbessert Arbeitskultur und Organisation, fördert Chancengerechtigkeit, lässt Potenziale aufblühen, steigert die Vielfalt… Flexibel und individuell sein – das werden entscheidende Kriterien für zukunftsfähige Unternehmen sein, insbesondere wenn es um das Anwerben, Binden und Halten von Mitarbeitenden geht.
Wer sich mit dem Thema Diversity bisher noch nicht so intensiv beschäftigt hat, weiß meist nicht, dass Diversity Management thematisch sehr breit ist und im Arbeitskontext neben der Förderung Chancengerechtigkeit und Gleichheit insbesondere die Entfaltung von Potenzialen und Nutzung von Vielfalt zur Steigerung des unternehmerischen Erfolgs im Fokus hat. Insbesondere mit dem aktuellen Wissen um die Bedeutung des Arbeits- und Fachkräftebedarfs wird es ein entscheidendes Kriterium der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sein, ihre Arbeitswelt so flexible und individuell zu gestalten, dass sie möglichst viele Profile anwerben, binden und halten können. Natürlich bedeutet Flexibilisierung und Individualisierung unterschiedliches entsprechend den Branchen und Jobanforderungen. Mein Job ist es genau bei dieser Ausdeutung und Gestaltung beratend zu unterstützen und Synergien z.B. zur Berichtspflicht herzustellen.
Das Interview erschien in der Verbandszeitung [unternehmen!], Ausgabe 2/2023, im November 2023.
Die Fragen stellte
Ressourcen effizienter nutzen, Prozesse effektiver gestalten, soziale Aspekte bei der Belegschaft berücksichtigen… Nachhaltigkeit findet in den Unternehmen auf vielen Ebenen statt. Wie lässt sich das systematisieren? Wo fängt man am besten an?
Tobias Fastenrath: Zunächst sollte jedes Unternehmen für sich klären, was es unter Nachhaltigkeit versteht und welche Spezifika es zu berücksichtigen gilt. Dabei tauchen verschiedene Leitfragen auf, wie: „Welche internen Anforderungen stellen wir uns selber?“ oder „Welche Ressourcen stehen uns eigentlich für das Thema Nachhaltigkeit zur Verfügung?“. Wichtig ist dann, ein Leitbild bzw. Statement zur Nachhaltigkeit zu etablieren. Worte alleine reichen natürlich nicht, dadurch wird keine Organisation nachhaltiger. Es gilt nun die technischen, ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekte der Organisation systematisch zu erfassen, in Einklang zu bringen und deren Soll-Zustände zu definieren. Eine Orientierung können dabei andere (Management-) Systeme bieten, welche die Aspekte messbar machen. Es gilt dann die Nachhaltigkeit immer weiter in die (Neu-) Gestaltung der betrieblichen Prozesse zu integrieren und Antworten auf die Frage „Haben wir auch die Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt?“ zu finden.
Wie profitieren die Mitglieder des Unternehmerverbandes von Ihrer Expertise?
Tobias Fastenrath: „Wir können die interessierten Unternehmen mit maßgeschneiderter Beratung unterstützen. Fast alle Unternehmen sind ja auch schon aktiv. Auftakt für eine solche Beratung können unsere Seminare im HAUS DER UNTERNEHMER sein, welche wir in Kooperation mit unserem Forschungsinstitut, dem ifaa, durchführen. Hier gibt es eine handfeste Vorgehensweise; das Seminar kann auch als Inhouse-Seminar, z. B. in Form von Workshops, gebucht werden. Darüber hinaus können wir in einem Erstgespräch vor Ort den Bedarf besprechen und das Unternehmen kontinuierlich auf dem Weg in die Nachhaltigkeit begleiten. Nachhaltigkeit lässt sich übrigens sehr gut an andere Managementsysteme des Arbeits- und Umweltschutzes und den Prinzipien des Lean Managements (Stichwort: Verschwendungsreduzierung) anknüpfen.
Nun kommen viele unserer Mitglieder traditionell aus der Industrie, aber mehr und mehr sind auch (soziale) Dienstleister darunter. Wie passt das Thema in diese Branchen?
Tobias Fastenrath: „Das Thema Energie ist in der Industrie, das einen wichtigen Aspekt der Nachhaltigkeit darstellt, täglich omnipräsent und für diese Branche sehr herausfordernd. Die ersten Folgen können wir leider bereits erkennen, die ersten Industriebetriebe schließen ihre Pforten durch die hohen Energiepreise in Deutschland. Das Thema drängt also. Von Nachhaltigkeit bleibt niemand „verschont“, so auch unsere sozialen Organisationen nicht, wie Pflegeeinrichtungen, KiTas, Schulen oder die mobile Pflege. Ganz im Gegenteil: Es ist wichtiger denn je. Denken Sie zum Beispiel an die tägliche Wäsche und Reinigung, die erst bei bestimmten Temperaturen die notwendige Hygiene gewährleistet. Oder die Routen durch den Stadtverkehr bei mobilen Pflegedienstleistungen. Neben diesen ökologischen Komponenten ist der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit zu meistern: Gerade in den Hochphasen der Corona-Pandemie wurde allen schlagartig klar, wie wichtig gesunde Beschäftigte in diesem Bereich sind. Daran erkennt man schnell: Der soziale Teil der Nachhaltigkeit steht gleichwertig neben allen anderen Feldern. Anders ausgedrückt: Was nützt mir die saubere Wäsche oder die umweltschonende Route, wenn die Beschäftigten arbeitsunfähig zu Hause sind? Umso mehr gilt es jetzt den sozialen Teil nachhaltig zu sichern, sodass wir auch zukünftig auf diese Beschäftigten zählen können. Das sieht übrigens auch die Bundesregierung so, die sich „Gesundes Leben“ auf die Fahnen geschrieben hat. Die Fachgruppe DV.DAH in unserem Unternehmerverband Soziale Dienste & Bildung konnte hierzu bereits einen entscheidenden Beitrag leisten. Wir haben in einem eigens verhandelten Tarifwerk der Diakonischen Altenhilfe Hessen faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen sichergestellt.
Das ifaa, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V., ist die von den Arbeitgeberverbänden getragene Forschungseinrichtung rund um Themen der Arbeitswirtschaft und -organisation. Ein Beispiel Ihrer Arbeit passt sehr gut: Kürzlich haben Sie die Umfrage „CO2-Bilanzierung – Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in der Unternehmenspraxis“ gemacht. Was war das Ergebnis?
Olaf Eisele: Ein wesentliches Ergebnis der Bestandsaufnahme war, dass eine CO2-Bilanzierung auf betrieblicher Ebene nicht trivial und mit einer Reihe von Schwierigkeiten für Unternehmen verbunden ist. Wie so oft im Leben, steckt der Teufel häufig in der praktischen Umsetzung im Detail. In der Theorie ist eine Ermittlung von CO2-Emissionen auf den ersten Blick einfach. Man benötigt lediglich die Mengen der eingesetzten Energieträger (Kohle, Öl, Gas, Solarstrom, Kernenergie etc.) und einen mathematischen Emissionsfaktor, mit dem der Energieeinsatz in äquivalente CO2-Emissionen umgerechnet werden kann. Nun fordern verschiedene Anspruchsgruppen aus Politik und Gesellschaft jedoch von Unternehmen Berichte zu der CO2-Bilanz im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette und den gesamten Produktlebenszyklus von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung eines Endprodukts. Darin sollen mehr als nur die direkt im Unternehmen verursachten CO2-Emissionen berücksichtigt werden. Vielmehr sollen auch die indirekt in vorgelagerten Wertschöpfungsprozessen bei Lieferanten sowie in nachgelagerten Prozessen bei Kunden verursachten CO2-Emissionen ermittelt und ausgewiesen werden. Eine Ermittlung von CO2-Bilanzen stellt dadurch für Industrieunternehmen mit technisch komplexen Produkten und globalen Wertschöpfungsketten mit einer Vielzahl von vor- und nachgelagerten Geschäftspartnern und Kunden im In- und Ausland eine Herausforderung bei der korrekten Datenermittlung dar. Diese zu bewältigen bedeutet für produzierende Industrieunternehmen zusätzliche bürokratische Belastungen und Kosten. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme wurden vom ifaa in einer Broschüre veröffentlicht, die als kostenfreier Download bezogen werden kann.
Die CO2-Bilanzierung ist nur ein Thema von vielen im Nachhaltigkeitsmanagement. Sie unterstützen ja auch die Arbeitgeberverbände und deren Mitgliedsunternehmen bei der Gestaltung und Umsetzung eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements. Ein solches Nachhaltigkeitsmanagement einzuführen, ist sicher sehr komplex. Was empfehlen Sie beim Umsetzen in die Praxis und gibt es Arbeits- und Handlungshilfen, die dabei helfen?
Olaf Eisele: Je komplexer die Aufgabenstellung, desto wichtiger ist eine gut strukturierte und systematische Vorgehensweise. Im Fachbereich Unternehmensexzellenz erforschen, entwickeln und evaluieren wir Managementkonzepte und -systeme, Methoden sowie praktische Werkzeuge für die Gestaltung einer erfolgreichen Betriebs- und Arbeitsorganisation. Nachhaltigkeit ist per Definition aufgrund der gleichrangigen Beachtung unterschiedlicher Aspekte und Zieldimensionen (Wirtschaft, Umwelt, Soziales, Technik) ein sehr vielschichtiges und komplexes Vorhaben. Je komplexer die Aufgabenstellung, desto wichtiger ist eine gut strukturierte und systematische Vorgehensweise. Am ifaa wurde deshalb ein ganzheitliches Managementkonzept für ein betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement entwickelt. Dieses hilft die Übersicht zu behalten und liefert einen modularen Leitfaden zur anforderungsgerechten Gestaltung und Implementierung in Unternehmen. Das Managementkonzept besteht im Kern aus vier Nachhaltigkeitsaspekten, fünf Anspruchsgruppen, sechs Aufgaben sowie sechs Gestaltungsbausteinen. Für die Umsetzung dieses Konzepts wurden vom ifaa verschiedene (Web-)Seminare sowie Arbeits- und Handlungshilfen erstellt, die kontinuierliche weiterentwickelt werden. Eine Darstellung der aktuellen ifaa-Produkte zur Nachhaltigkeit ist online verfügbar.
Nachhaltigkeit zu managen, heißt, diese systematisch zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu verbessern. Worauf kommt es dabei im Kern an?
Tobias Fastenrath: Zunächst einmal auf den Willen des Managements ein entsprechendes Leitbild und eine strategische Vorgehensweise systematisch ein- und fortzuführen. Halbherzigkeit führt zu keinen oder schlechten Resultaten – wie in anderen betrieblichen Handlungsfeldern auch. Wir erfinden das Rad aber nicht neu, wir verfolgen den Ansatz Nachhaltigkeit in bestehende Prozesse zu integrieren. Wer beispielsweise Shopfloor Management betreibt, kann Nachhaltigkeit ohne großen Aufwand integrieren. Oder: Bei Arbeits- und Umweltschutzmanagementsystemen lässt sich hinterfragen, welche Elemente der Nachhaltigkeit im Allgemeinen und im Speziellen schon vorhanden sind.
Idealerweise erfüllt das Nachhaltigkeitsmanagement nicht nur die gesetzlichen Anforderungen wie beispielsweise das Lieferkettengesetz, die EU-Taxonomie oder die CSR Directive. Wie kann es auch helfen, die komplexen Herausforderungen der Zukunft zu meistern?
Olaf Eisele: Damit ein Nachhaltigkeitsmanagement mehr als nur bürokratischer Aufwand zur Erfüllung rechtlicher Vorschriften ist, muss es die betriebsspezifischen Rahmenbedingungen, Ziele und eigenen Anforderungen abbilden. Das erfordert eine individuelle Gestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements mit betrieblichen Akteuren. Wichtig ist zudem, sich auf das Wesentliche und Machbare zu konzentrieren. Ein Nachhaltigkeitsmanagement hilft nicht per se die komplexen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Es kommt auch hier auf die Qualität des gewählten Managementkonzepts sowie die konkrete Realisierung einzelner Elemente an. Jedes Konzept ist am Ende immer nur so gut, wie es praktisch von betrieblichen Aktteuren im Detail umgesetzt und gelebt wird.
Ihr Resümee: Warum ist es für Unternehmen genau jetzt so wichtig, das Thema Nachhaltigkeitsmanagement anzugehen?
Olaf Eisele: Durch eine Vielzahl politischer Initiativen und Gesetzesvorhaben werden Unternehmen in absehbarer Zeit faktisch zum Aufbau eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements verpflichtet. Zu nennen ist hier beispielsweise die Corporate Sustainability Reporting Derictive (CSRD) der Europäischen Union mit weitreichenden Auswirkungen auf alle großen und indirekt auch auf viele kleine und mittlere Unternehmen. Die Berichtspflichten setzen die Existenz eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements voraus, über das dann berichtet werden soll. Aufgrund des politischen Zeitdrucks bleibt Unternehmen nicht mehr viel Zeit die neuen rechtlichen Anforderungen vollumfänglich zu erfüllen. Die CSRD sollte ursprünglich bereits in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt werden. Sie wurde aufgrund von Problemen bei der Detaillierung nochmal um ein Jahr verschoben. Aber aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Die durch die Fristverschiebung gewonnene Zeit sollte von Unternehmen genutzt werden. Am Beispiel CO2-Bilanzierung wurde bereits deutlich, dass die Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen nicht trivial ist. Dies gilt für die kommenden, noch umfassendere Nachhaltigkeitsanforderungen der EU erst recht. Aufgrund der Komplexität und dem damit verbundenen Zeit- und Ressourcenbedarf, sollten Unternehmen deshalb so früh wie möglich das Thema Nachhaltigkeitsmanagement angehen.
Tobias Fastenrath: Das Thema bietet eine gute Chance, jede Organisation systematisch zu durchleuchten und Schwachstellen aufzudecken. Kaum ein anderes Thema erfasst die Unternehmen und ihre Partner so tiefgehend wie Nachhaltigkeit. Wer’s richtig angeht, trägt zum zur Ressourcenschonung bei, das erzeugt auch in der Belegschaft ein Wir-Gefühl – insbesondere, wenn man die Beschäftigten partizipieren lässt. Womit auch wieder die soziale Nachhaltigkeit gestärkt wird. Man merkt schnell: Nachhaltigkeit bewegt sich in einem Zyklus, die einzelnen Aspekte greifen ineinander. Darüber hinaus steigert es auch das Image des Unternehmens. Nachhaltiges Wirtschaften wird auch für künftige Fachkräfte eine Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers sein.
Das Interview erschien in der Verbandszeitung [unternehmen!], Ausgabe 2/2023, im November 2023.
Das Interview führte
Jennifer Middelkamp
www.unternehmerverband.org/leistungen/arbeitswirtschaft
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